«Wir verbringen hier sinnvolle Ferien»
Die Ostfassade des Klosters Beinwil erstrahlt wieder in leuchtendem Weiss. Zu verdanken ist dies Beat und Anita Graf, welche der Wand letzte Woche einen neuen Anstrich verpasst haben — und dies unentgeltlich.
Grafs leben in einer 500-Seelen-Gemeinde im Zürcher Weinland. Beat Graf ist gelernter Maler und auch Anita Graf hat auf dem Beruf gearbeitet. Während er sein eigenes Geschäft führt und als «Dorfmaler» fungiert, wie er selber sagt, macht sie mittlerweile eine Ausbildung zur Waldspielgruppenleiterin, leitet das Muki-Turnen und verrichtet Putzarbeiten. Ihre vier Kinder sind erwachsen und aus dem Haus.
Vor zwei Jahren, also inmitten der Coronazeit, verschlug es die beiden ins Kloster Beinwil. Sie waren auf der Heimreise von den Ferien und kamen zufällig hierher. «Wobei: Zufälle gibt es nicht. Es war wohl eher eine Fügung», sagt Beat Graf. Die beiden besuchten im Kloster die Messe, die täglich um 7 und um 17 Uhr stattfindet und fühlten sich in der ruhigen Umgebung sofort wohl. Beat Graf kam einige Zeit später erneut alleine für ein paar Tage nach Beinwil und beim dritten Mal, kurz nach Ostern dieses Jahres, begleitete ihn seine Frau und sie verrichteten erste Arbeiten im Innern des Klosters. Letzte Woche war nun die Ostfassade an der Reihe. «Diese Arbeit ist unser Ferienprojekt, die orthodoxe Gemeinschaft hat das Gerüst organisiert, unser Farblieferant die Farbe gespendet und wir arbeiten gegen Kost und Logis.» Selbstverständlich sei alles mit der kantonalen Denkmalpflege vorbereitet und abgesprochen worden, ergänzt Graf.
Grosse Gastfreundschaft
Die Orthodoxen, die seit 2019 im Kloster leben, seien offener als man meint und als das konservativ anmutende Erscheinungsbild vermuten lasse, sagt Beat Graf. Diakonie werde in dieser Gemeinschaft grossgeschrieben. Das gelte nicht nur für die Orthodoxen in Beinwil, sondern auch für jene in Osteuropa oder Griechenland, wo der Glaube weit verbreitet ist. Im Kloster Beinwil, das von Vater Damaskinos geleitet wird, würden alle Gäste mit offenen Armen empfangen. Das sind Pilger, Touristen, Gäste aus der orthodoxen Glaubensgemeinschaft oder einfach Ruhesuchende. Dabei entscheiden diese selbst, ob und was sie für die Übernachtung bezahlen. Viele würden auch einfach im Kloster mithelfen. Erst kürzlich hat ein Pilger seinen Aufenthalt mit Reinigungsarbeiten entschädigt.
Der Glaube an Gott ist für Beat und Anita Graf wichtig und wegweisend. Sie nehmen darum auch an den Messen im Kloster teil und essen mit allen Geistlichen und Gästen in einem Speisesaal. «Wir wollen diesen Glauben und die verschiedenen Rituale verstehen lernen und darum aktiv teilnehmen», sagt die katholische Anita Graf, «so langsam bekommen wir einen Einblick, worum es geht.» Beat Graf, der reformiert ist, ergänzt: «Ich habe den Eindruck, dass im orthodoxen Glauben Spiritualität und der Tiefe Bezug zu Gott eine wichtigere Rolle spielen als in den Landeskirchen. Das vermisse ich dort manchmal. Ich glaube auch, dass darum die Freikirchen einen immer grösseren Zulauf haben.»
Beat und Anita Graf geniessen nicht zuletzt auch die Ruhe im abgelegenen Kloster: «Wenn wir daheim keine Verpflichtungen hätten, würden wir glatt länger bleiben.» Es sei aber vermutlich nicht das letzte Mal, dass sie hier oben gewesen seien. «Das nächste Projekt steht eigentlich bereits schon fest», so Beat Graf. «Im Herbst kommt eine Gruppe hierher und wird einige Fensterläden restaurieren. Diese Gruppe werde ich zumindest über ein Wochenende betreuen und coachen», so Graf. Es schwebe ihm auch vor, in Zukunft auch in und an anderen Klostergebäuden zu arbeiten, denn «mein Herz schlägt für die altehrwürdigen Gebäude. Und nicht alle haben das Geld, um die nötigen Sanierungen vorzunehmen.» Ob und wann er seine Pläne tatsächlich umsetzen wird, weiss Beat Graf noch nicht. «Vielleicht wenn ich pensioniert bin. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik.»