Ist der Mensch noch zu retten?

Der emeritierte Professor für Astronomie, Philosoph und Träger des Kulturpreises Basel-Landschaft lebt die Hälfte der Woche in Nunningen. Das «Wochenblatt» hat mit ihm über aktuelle Themen gesprochen.

Astronom, Philosoph, Weiser: Roland Buser erklärt den Kosmos und den Menschen.Foto: Thomas Brunnschweiler

Wochenblatt: In Ihrem Buch «Der Mensch im Kosmos» beschreiben Sie die Gewalttätigkeit als «Erbstück der Materie», zugleich betrachten Sie den Frieden als höchstes Ziel des Menschen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Roland Buser: Gewalt tönt nicht so brutal, wenn man das Wort mit «energeia» oder Vermögen übersetzt. Denn in der Evolution der Welt als «energeia» erweisen sich Gewalt und Frieden als Ursprung und Sinn, als Ermöglicher und Vollender der Entwicklung. «Energeia» ist die Doppelkraft von destruktivem Chaos und konstruktiver Kreativität. Dieses dialektische Wesen macht aus Gewalt und Frieden keinen Widerspruch. Das grösste Hindernis auf dem Weg zum Frieden ist der Egoismus des Menschen, die völlige Missachtung der bereits erfolgten kosmischen Evolution!

Sie schrieben schon 2018: «Die Gesellschaft befindet sich derzeit in einem absolut chaotischen Zustand.» Würden Sie das heute noch so formulieren?

Sicher: Das Chaos hat seither sogar noch zugenommen. Die Gesellschaft verhält sich immer mehr wie ein Gas, das von externen Quellen wie Potentaten und Superreichen aufgeheizt wird. Der wachsenden «Temperatur» entsprechen die Abnahme von Wohlwollen und Miteinander und die Zunahme des Gegeneinanders und der Konkurrenz.

Leute, die grossen Einfluss auf die Politik haben, sind heute vom Schlage von Elon Musk, der sich von autistischem Grössenwahn und fast infantilen Weltrettungsfantasien leiten lässt. Was kann man dem entgegensetzen?

Dem entgegensetzen sollte man mehr individuelle Konzentration nach innen und die Erkenntnis, dass die Kritik des Selbst notwendig ist, auch im Anderen, an dem man sich fast ausschliesslich orientiert. Kurz: Viel mehr Investition in Bildung statt in Wirtschaft, woraus mehr Respekt vor Mehrdimensionalität aller Formen von Leben folgen müsste.

Macht Ihnen die zunehmende Beschneidung der Wissenschaftsfreiheit, etwa in den USA, Angst?

Freiheit wird auch in der Wissenschaft selber praktisch als identisch mit «wirtschaftlich opportun» missverstanden. Das zeigt ein extrem eindimensionales Denken. Wissenschaft ist heute, gerade in den USA, zu einer der wichtigsten Potenzen der Machthaber degeneriert. Ursprünglich stand sie im Dienst der Suche nach Wahrheit und der Aufklärung. Eine Re-Installation des fundamentalen Wissenschaftscredos wäre absolut willkommen.

In der Postmoderne scheint ein konsistentes Welt- und Menschenbild nicht mehr möglich. Oder sehen Sie das anders?

Sicher sehe ich das anders. Mein Buch «Der Mensch im Kosmos» zeigt, dass ich die weltweit vorherrschenden Zukunftsfantasien für den Beweis der unglaublichen Ignoranz gegenüber der tatsächlichen kosmischen Evolution und ihrer grossartigen Errungenschaften halte. Die heute verfolgten Ziele erfolgen ohne Reflexion des dabei vorgestellten Sinnes des Ganzen. Zu kritisieren ist der im Grunde sehr primitive Techno-Wahn.

Was halten Sie von der zunehmenden Verwendung der künstlichen Intelligenz (KI) und dem Transhumanismus?

Der Hype um die Entwicklung von KI und der Digitalisierung kommt mir vor wie der nie versiegende Schrei eines Haufens verwöhnter Kinder. Der Sinn fürs Spiel als sinnvolle Kommunikation und sich selber erfüllende Arbeit wird behindert oder bleibt ganz auf der Strecke. Was den «Transhumanismus» betrifft, so haben wir noch nicht einmal begriffen, was Humanismus ist oder sein könnte! Das ist ein Fehler höherer Ordnung.

Welchen Ratschlag geben Sie den Leserinnen und Lesern auf den Weg, damit sie intellektuell und ethisch auf Kurs bleiben?

Intellektuell: die richtige Dosierung von Arbeit und Kommunikation sowie Vermeidung von Extremen; ein Vibrieren zwischen Fortschritt und Rückbindung («religio»). Ethisch: Ethik ist die Logik der Gemeinsamkeit; Selbstsein als Teil des Kosmos, nicht nur «Mensch im Kosmos», sondern auch «Kosmos im Menschen». Fazit: Wissenschaft pflegen statt nur antreiben; den Sinn in seiner Gegenwart und nicht erst als Zukunftsperspektive gelten lassen; als Kosmos verantwortlich handeln!

Roland Buser: Der Mensch im Kosmos. Welt- und Menschenbild. Verlag Basel-Landschaft, Liestal, 2. Auflage 2020.

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