Solidarität darf nicht nur eine Floskel sein

Sascha Hell (31) betreibt in Breitenbach ein Fitnessstudio. Eine Branche, die von den Folgen von Covid-19 speziell hart getroffen wurde. Ein Vorfall in der Rekrutenschule beendete seine Träume von einer Profi-Karriere im Eishockey. Mit Body Building lotet er seine körperlichen Grenzen aus und versucht mit viel Kampfgeist aus der Krise zu kommen.

<em>Optimistisch: </em>Sascha Hell hofft für die Fitnessstudios auf die Solidarität der Kunden.Foto: eh-presse
<em>Optimistisch: </em>Sascha Hell hofft für die Fitnessstudios auf die Solidarität der Kunden.Foto: eh-presse

Das Fitnessstudio in den Räumlichkeiten der früheren Post ist dunkel. Die Mitarbeitenden sind zu Hause, Besitzer Sascha Hell aber schaut regelmässig vorbei. «Uns Fitnessstudio-Besitzer hat es hart getroffen. Wir bekommen erst ganz am Schluss grünes Licht zum Öffnen, weil Masken, Handschuhe, permanentes Desinfizieren der Geräte und der Abstand nicht umgesetzt werden können», so Hell. Vor vier Jahren hat er den neuen Standort bezogen und erst kürzlich neue Geräte gekauft und den unteren Stock vergrössert. «In den Medien war zu lesen, dass der, der jetzt keine zwei Monate überbrücken könne, auch sonst Probleme hätte. Das kann ich so nicht stehen lassen. Miete und laufende Rechnungen muss man ja dennoch bezahlen. Abos die auslaufen, werden unter Umständen nicht verlängert, weil der Gang in den wärmeren Monaten ins Fitnessstudio nicht an oberster Stelle kommt.» Ab Montag dürfen viele wieder ihr Geschäft öffnen. «Man konnte ja auch schon lesen, dass etwa Coiffeure länger arbeiten werden, den freien Montag streichen und schon jetzt über Wochen die Auftragsbücher gefüllt haben, was ihnen zu gönnen ist. Bei uns geht das aber nicht. Wir müssen uns überlegen, wie wir vorgehen. Gerade wir Fitnessstudios sind extrem auf die Solidarität der Kunden angewiesen.»

Traum zerstört

Hell begann mit fünf Jahren beim EHC Laufen mit Eishockey. Als Goalie träumte er von einer Profi-Karriere. Nach einem Wechsel zum EHC Basel durfte er bald auch schon im damaligen NLA-Team trainieren. Mit dem ihm vorgelegten Vertrag war er dann jedoch nicht zufrieden und wechselte zum SC Lyss in die 1. Liga. «Im Seeland konnte ich auch beim EHC Biel mittrainieren und bekam dann auch die Chance auf ein Spiel in Kloten, hinter Pascal Caminada. Ich absolvierte damals die RS und am Freitag vor jenem Spiel holte mich der Kommandant beim Abtreten nach vorne. Er wollte allen Rekruten zeigen, wie er sich verhält, wenn man ihn nicht grüsst. Ich musste in der «Ruhen»-Position auf die andere Seite schauen, rechnete also nicht mit dem, was kam. Er attackierte mich, worauf meine Schulter knackste und schmerzte. Abklärungen ergaben, dass ich so schwer verletzt war, dass trotz aller Therapie Spitzensport nicht mehr möglich war.» Der Kommandant habe sein unbedachtes Handeln zwar zugegeben, aber Hell verlor den mehrere Jahre dauernden Rechtsstreit gegen das Militär. Es folgte eine «salomonische» Lösung. «Ich musste keinen Militär- und Zivildienst mehr leisten und keinen Ersatz zahlen, dafür aber sämtliche Kosten für den Rechtsstreit. Ohne meine Eltern wäre das nicht gegangen.»

Hell versuchte es noch in Lyss, wechselte 2009/10 nochmals nach Basel, musste aber einsehen, dass es nicht mehr ging. «Ich zog dann Plan B in Betracht, denn in der Hockey-Zeit bildete ich mich zum Fitness-Instruktor, Personal-Trainer, Masseur und in Diagnostic aus. Deshalb setzte ich dann alles auf die Karte Fitness und gründete das Studio Hell.»

Sport und Ernährung

Sportarten, welche die Schulterbänder und Sehnen zu sehr strapazieren, gehen nicht mehr, aber die Muskeln funktionieren, erklärt er. Deshalb begann Hell mit Bodybuilding. «Es steckt harte, ja sehr harte Arbeit und Ernährung dahinter. Ich trainiere zehn bis zwölf Mal pro Woche und ernähre mich entsprechend. Ich esse mehr, als es der «Normalbürger» könnte. Vor Wettkämpfen hatte ich pro Tag 1,2 Kilo Fleisch, 80 Gramm Haferflocken, 100 Gramm Reis, 750 Gramm Broccoli, 30 Gramm Nüsse und acht Eier zu mir genommen.»

Sascha Hell meint, dass jetzt, so lange die Fitness-Studios geschlossen sind, Bewegung und richtige Ernährung sehr wichtig seien. Spaziergänge in der Natur und Übungen, die es jetzt in Massen über die Social-Media-Kanäle gebe, findet er eine gute Sache. «Wichtig ist, dass jeder etwas macht. Aber auch die Ernährung ist jetzt wichtiger denn je. Wir müssen essen, was uns die Natur gibt. Dazu gehören keine Pommes, Chips oder Hamburger. Wer sich jetzt daran hält, wird zumindest keine zusätzlichen gesundheitlichen Nachteile erleiden.» Es ersetze aber den Gang ins Studio nicht, weiss er. «Die sozialen Aspekte sind wichtiger denn je und in den Studios ist das Training dank der Vielzahl an Geräten wirkungsvoller.»

Weitere Artikel zu «Thierstein», die sie interessieren könnten

Thierstein16.10.2024

Die Schule Gilgenberg steckt in einer Krise

Die Mitglieder der Schulleitung sowie die Finanzverwalterin der Schule Gilgenberg haben gekündigt. Friedrich Wüthrich, Präsident des Zweckverbandes Schule…
Thierstein16.10.2024

Mehr als nur Fasnacht

Die Fasnachtsclique «Litzlerchnertsch» gestaltet seit 53 Jahren die Dorffasnacht in Kleinlützel. Fasnacht wird das Hauptthema des Vereins bleiben. Weitere…
Thierstein09.10.2024

Mut zu riskanten Gratwanderungen

Die in Breitenbach wohnhafte Trompeterin und Alphornistin Jennifer Tauder-Ammann führt musikalisch ein Patchwork­leben zwischen Musikschule, Dirigaten,…