Schlaraffenland für den Luchs

Im Schwarzbubenland und Laufental halten sich einige Luchse auf und sie laufen auch den Menschen über den Weg.

<em>Familie am Riss: </em>Eine Luchsin und ihre drei Jungen, aufgenommen im Schwarzbubenland am 30. September 2019.Foto: zvg
<em>Familie am Riss: </em>Eine Luchsin und ihre drei Jungen, aufgenommen im Schwarzbubenland am 30. September 2019.Foto: zvg

Wir erhalten mittlerweile von Wandernden ab und zu Post mit Fotos oder mit Schilderungen, wie sie den Luchs beobachten konnten, teilweise aus einer Nähe von 20 Metern», sagt Marcel Tschan vom Amt für Wald, Jagd und Fischerei in Solothurn. Der Luchs sei nicht scheu, aber sehr gut getarnt. «Es kann sein, dass man an ihm vorüber geht, ohne ihn zu bemerken, weil er regungslos im Gebüsch liegt», so Tschan. Von Tieren, die mit einem Sender ausgestattet sind, weiss man, dass sie sich auch in der Nähe von Wohnhäusern aufhalten. Da kann man durchaus Zeuge werden, wie die Jungtiere in der Wiese umhertollen oder genüsslich ein Sonnenbad nehmen.

Ein Reh pro Woche

Einige Aufnahmen aus dem Schwarzbubenland hat das kantonale Amt dem Wochenblatt zur Verfügung gestellt. Der umfangreichen Dokumentation nach scheint sich der Luchs in der Region sehr wohlzufühlen. Laut Tschan sind jedenfalls alle Reviere im Jura besetzt. Das Monitoring des Bundes zeigt auf, dass sich im Kanton Solothurn über ein Dutzend Luchse aufhalten – und ihre Anwesenheit ist spürbar. Ein Luchs hat in der Woche Appetit auf ein Reh oder eine Gämse. In manchen Gebieten hat der Rehbestand abgenommen. Er sei aber nicht unter ein vertretbares Mass gesunken, versichert Tschan. Der Statistik nach ist es vor allem auch der Strassenverkehr, der dem Rehbestand zusetzt.

Schafe in Bärschwil gerissen

Der Luchs frisst aber auch Lämmer und ausgewachsene Schafe. Dass grosse Schafherden beim Luchs den Appetit auf diese Säugetiere anregen können, sei nicht auszuschliessen: «Es heisst nicht umsonst: Gelegenheit macht Diebe», räumt Tschan ein und bestätigt, dass in Bärschwil mit einem Aufkommen von mehreren Hundert Schafen einige wenige Vorfälle zu verzeichnen waren. Ein betroffener Landwirt gibt zu bedenken, dass es für einen Züchter grausam ist, wenn seine Tiere von einem Raubtier gerissen werden.

Die Gefahr, dass Luchse Nutztiere reissen, nehme man sehr ernst, heisst es in Solothurn. Dies sei vor zwei Jahrhunderten ja auch der Grund gewesen, warum Luchs und Wolf hier ausgerottet worden waren, sagt Tschan und verweist auf das Schweizerische Herdenschutzprogramm. Im Kanton Solothurn wird dieses vom landwirtschaftlichen Bildungszentrum Wallierhof betreut. Mitarbeiter Manuel Ender sagt auf Anfrage, dass als sofortige Herdenschutzmassnahme ein Notfallset mit Zaun- und Vergrämungsmaterial (Blinklampen, Flatterbänder etc.) bereitsteht, welches dem Landwirt kostenlos zur Verfügung gestellt wird. In einem weiteren Schritt unterstütze die Fachstelle Herdenschutz die Tierhalter bei der Ausarbeitung von betriebsindividuellen Herdenschutzmassnahmen. «Mit einem fachgerecht elektrifizierten Weidezaun lässt sich das Risiko von Übergriffen auf Schafe und Ziegen durch Grossraubtiere verringern. Luchse reagieren sensibel auf elektrische Schläge», erklärt Ender. Die Höhe des Zauns und die Stromspannung spielen eine entscheidende Rolle. Ender räumt ein, dass Kleinvieh-Zäune nur einen gewissen Schutz bieten und die Fälle individuell betrachtet werden. Ein wirksamer Schutz bieten speziell ausgebildete Herdenschutzhunde. Diese kommen vor allem im Sömmerungsgebiet zum Einsatz, wo Elektrozäune nicht oder unter erschwerten Bedingungen erstellt und unterhalten werden können.

In Bärschwil sei man nach einem Versuch letztlich zur Erkenntnis gelangt, dass Herdenschutzhunde nicht die erfolgsversprechende Massnahmen sind, ist von Felix Hahn von Agridea Herdenschutz, zu erfahren. Unter anderem weil es verschiedene Gruppen zu bewachen gab. Bei einer Vielzahl von Herdenschutzhunden falle das Verhältnis Aufwand/Ertrag aus dem Gleichgewicht. Der Lösungsvorschlag sieht nun vor, dass die Schafe von Bärschwil für eine gewisse Zeit auf einen geschützten Sömmerungsbetrieb in Graubünden wechseln.

Mit der Zunahme des Luchsbestandes mehren sich aus Jägerkreisen (ennet dem Passwang) natürlich auch Forderungen nach einer Regulierung. Tschan sagt, eine Abschussbewilligung stehe derzeit nicht zur Debatte. Die Regulierung des Luchsbestandes erfolge auf natürlichem Weg durch das Konkurrenzverhalten oder durch Umsiedlungen, indem Luchse eingefangen und in einem anderen Kanton freigelassen werden. Grundsätzlich sei es auch so, dass Jäger keinen Garantieanspruch auf eine gewisse Anzahl Rehe erheben können. Marcel Wyser, Obmann der Jägervereinigung Dorneck-Thierstein, sagt auf Anfrage, dass die Regulierungsfrage von der künftigen Entwicklung abhänge und auf nationaler Ebene zu beantworten sei, weil der Luchs unter Schutz steht.

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