«Klassentreffen» mit Mike Müller

Mike Müller beeindruckte letzten Samstag mit seinem Solostück «Klassentreffen» im ausverkauften Gemeindesaal Grien in Breitenbach.

Solotheater mit Tiefgang: «Klassentreffen» von Mike Müller hinterlässt Wirkung. Das Stück ist zum einen lustig, stimmt aber auch nachdenklich. Foto: Katja Schmidlin

Auf der Bühne steht ein Bistrotisch, darauf ein dichtes Durcheinander von angefangenem Bier, Wein, Champagner in Flaschen und Gläsern. Eine ganze Schulklasse trifft sich erstmals nach 40 Jahren wieder. Das Treffen begann bereits am Nachmittag mit einer — eher langweiligen — Besichtigung der Glacefabrik von René und nun um acht Uhr abends findet sich die Klasse zum Austausch. Man ist inzwischen verheiratet, geschieden, gewünscht verwitwet, alleinstehend, hat Kinder oder keine, war beruflich erfolgreich oder nicht, kam in der Welt herum oder am Ende doch wieder zurück ins Dorf.

Alle, die ans Klassentreffen gekommen sind, müssen sich in Zweiergruppen aus ihrem Leben erzählen und der jeweils andere erzählt dann der Klasse die Kurzfassung. Gut erkennbar werden hier die Ambivalenzen zwischen dem, was man sagen möchte und nicht sagen sollte, was man gerne geworden wäre und nicht geworden ist, was man besser unter dem Teppich belassen möchte und vom Gegenüber dann doch erzählt wird. So erfährt die Klasse von Charlotte, die mehrere gescheiterte Ehen und mehrere schamanisch geschlossene Ehen hinter sich hat und heute 28 Armringe trägt, nämlich für jede Beziehung einen; von Stefanie, die heute auf dem Betreibungsamt arbeitet und gleich mehrere aus der Runde zu ihren Klienten zählen kann; von Marlies, die nach einer internationalen Karriere als Küchenchefin auf einem Kreuzfahrtschiff heute im Dorf einen Foodtruck führt und Gehacktes mit Hörnli in 15 verschiedenen Geschmacksrichtungen verkauft; oder von Franziska, die mit einem deutschen Kunstlehrer durchgebrannt und nach dessen Verhaftung wegen Mitgliedschaft bei einer ­terroristischen Vereinigung heute in Bern bei der Eidgenössischen Steuer­verwaltung arbeitet.

Dessertbuffet als Rettungsanker

Lauter tragikomische Seelenstrips vollziehen sich an diesem Abend vor den Augen aller. Alte Wunden brechen auf und bringen schmerzhafte Lebenserfahrungen ans Licht. Als dann in die Gedenk­minute für die inzwischen verstorbenen Klassenkameraden der Dessertservice reinplatzt, droht das Klassentreffen vollends zu entgleisen. Ganz am Schluss kommt dann auch noch der Schulkamerad zu Wort, der früher schon ausgegrenzt wurde und auch den ganzen Abend über allein geblieben war. Er rechnet an diesem Abend mit seinen Klassenkameraden ab und stürzt sich auf dem WC in den Suizid. Am Ende bleibt der Klasse nur noch, dem Servicepersonal nachzugeben und sich in das üppige Dessert­buffet hineinzuretten.

Mike Müller spielt alle Figuren, wechselt Dialekte und Charaktere in hoher Kadenz, liefert 75 Minuten lang frisches, schauriges und dichtes Solotheater mit Tiefgang. Sein Stück «Klassentreffen» hinterlässt Wirkung, lustige und nachdenkliche zugleich.

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