Jagdgesetz gefährdet den Artenschutz als Ganzes

Das Solothurner Komitee «Jagdgesetz Nein» und Pro Natura Solothurn haben in Seewen zur Gesetzesrevision zum eidgenössischen Jagd- und Schutzgesetz Stellung genommen. Beide sagen dezidiert Nein zum missratenen «Abschuss-Gesetz», wie sie es nennen.

Geeignet: Förster Josef Borer zeigt dem «Wochenblatt» eine Fläche, wo die Aufforstung dank Schutzzaun nachweislich gut gedeiht. Ohne Zaun (im Vordergrund) ist das Wachstum von Jungbäumen und Sträuchern aufgrund des Wildbestandes stark eingeschr
Geeignet: Förster Josef Borer zeigt dem «Wochenblatt» eine Fläche, wo die Aufforstung dank Schutzzaun nachweislich gut gedeiht. Ohne Zaun (im Vordergrund) ist das Wachstum von Jungbäumen und Sträuchern aufgrund des Wildbestandes stark eingeschränkt. Foto: Willi Wenger

Luchs und Wolf würden ins hiesige Ökosystem gehören, sagt Vorstandsmitglied und Förster im Forstbetrieb Schwarzbubenland, Josef Borer (Breitenbach). Weiter erklärt er im Gespräch mit dem «Wochenblatt», dass sich ein Nein zum Jagdgesetz positiv auf den Wald auswirken kann. «Hauptsächlich im Berggebiet leiden viele Wälder an den hohen Hirschbeständen. Da können die Grossraubtiere Wolf und Luchs neben der Jagd nachweislich mithelfen, die Bestände zu regulieren. Dadurch werden artenreiche Wälder gesichert und Schutzwälder bleiben stabil.»

Es ist schwierig abzuschätzen, wie hoch die Rehwildbestände im Schwarzbubenland effektiv sind. «Aus der Sicht von uns Förstern ist der Schalenwildbestand wie Rehwild oder Gämsen angemessen, wenn sich alle Baumarten natürlich und ohne Wildschutz (Zaun, Einzelschutz) verjüngen können.» Einzelne Hirsche wurden gemäss Borer bereits in den Gemeinden Meltingen, Breitenbach und Seewen festgestellt. Spätestens wenn die Wildtierbrücken über die A1 fertiggestellt seien, so Borer, werde sich der Hirsch hier ansiedeln. «Dann soll ihm der Wolf als einziger natürlicher Feind folgen.» Er verweist schliesslich auf das russische Sprichwort «Wo der Wolf geht, wächst der Wald». Nach Aussagen von Fachleuten eignet sich das Passwanggebiet gut als Lebensraum für den Wolf. Es ist gemäss Pro Natura Solothurn durchaus möglich, dass sich in Zukunft einzelne Wölfe in der hiesigen Region ansiedeln werden. Im Waadtländer Jura existiere, so Borer, bereits ein Rudel. Auch der Luchs ist in den regionalen Wäldern zu Hause.


Gesetz schiesst über Ziel hinaus
Das Solothurner Komitee «Jagdgesetz Nein» ist der Meinung, dass ein neues Gesetz mit Augenmass notwendig sei. Die Gesetzesrevision schiesse weit über das ursprüngliche Ziel hinaus. Die heutige Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantonen sei beizubehalten. Das Komitee hält weiter fest, dass mit dem neuen Rechtserlass drei kritische rote Linien überschritten werden: Erstens, dass geschützte Tiere ohne durch sie angerichtete Schäden und ohne Präventionsmassnahmen ergriffen zu haben «auf Vorrat» abgeschossen werden können. Die zweite rote Linie betreffe die Tatsache, dass künftig jeder Kanton selbst entscheiden kann, welche Tiere er wie stark dezimiert. Und für Borer ist es als drittes auch nicht annehmbar, dass der Bundesrat jederzeit weitere, eigentlich geschützte Tierarten auf die Abschussliste setzen kann. Es gehe nicht an, dass geschützte Tiere, einfach weil sie da sind, abgeschossen werden können.

Die Revision beschränke sich nämlich nicht wie eigentlich geplant auf den Umgang mit dem Wolf. Neu würde gemäss Pro Natura Solothurn auch der Schutz von Biber, Luchs, Graureiher, Höckerschwan und anderer geschützter Tierarten in Frage gestellt. Eine weitere Chance für einen verbesserten Schutz von Tieren sei gemäss Borer ebenfalls verpasst worden: Feldhase, Birkhahn, Schneehuhn oder Waldschnepfe können weiterhin bejagt werden.
Die Solothurner Naturschützer mit all ihren Organisationen hoffen sehr, dass die Bevölkerung und die Stände in der Mehrheit den neuen Gesetzesentwurf, so wie vom Parlament beschlossen, ablehnen werden. Borer sagt es mit aller Klarheit: «Ein Ja wäre aus ökologischer Sicht gefährlich und falsch.

Wichtige Zahlen
• In der Schweiz leben 60 bis 80 Wölfe. Das Wolfsmonitoring kostet die Eidgenossenschaft jährlich 250000 Franken.
• Knapp 200000 Schafe von total 350000 Schafen in der Schweiz werden gesömmert. 21 Millionen Franken pro Jahr betragen die Subventionen des Bundes an die Schafhaltung und -vermarktung. Die Sömmerung wird mit rund 7 Millionen Franken unterstützt.
• Über die Hälfte der zirka 800 Schafalpen in der Schweiz sind noch immer unbeaufsichtigt. 90 Prozent aller Risse geschehen in ungeschützten respektive unzureichend geschützten Herden. 4200 Schafe verenden pro Jahr während der Sömmerung als «natürliche Abgänge». 350-500 Schafe werden pro Jahr von Wölfen gerissen. Mit jährlich 3 Millionen Franken unterstützt der Bund den Herdenschutz. Zirka 270 Herdenschutzhunde sind in der ganzen Schweiz bereits im Einsatz. Total stehen «Wolfskosten» von zirka 3,3 Millionen Franken pro Jahr jährlichen allgemeinen «Schafskosten» von mindestens 21 Millionen Franken gegenüber.

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