Hüter des Kleinlützler Museums

Die Pfeifen- und Stock­fabrik in Kleinlützel feiert dieses Jahr ihren 130. Geburtstag. In Betrieb ist sie jedoch seit den Acht­zigerjahren nicht mehr.

Fühlt sich hier immer noch wohl: Bruno Tschan in den Räumlichkeiten der Pfeifen- und Stockfabrik Tschan. Foto: Melanie Brêchet:
Fühlt sich hier immer noch wohl: Bruno Tschan in den Räumlichkeiten der Pfeifen- und Stockfabrik Tschan. Foto: Melanie Brêchet:

Beim Betreten der Räumlichkeiten an der Laufenstrasse 296 in Kleinlützel wird man auf einen Schlag um mehrere Jahrzehnte in die Vergangenheit katapultiert. Im «Bureau», wie der kleine Raum mit einem schmucken Schild angeschrieben ist, befindet sich ein Schreibtisch mit einer Hermes Ambassador, die auch noch genutzt wird. In Regalen sind ordentlich alle wichtigen Papiere abgelegt, an den Wänden hängen Fotos, Skizzen und ­Bilder, die Bruno Tschan zum Teil selbst gemalt hat. Er hat die Pfeifen- und Stockfabrik noch bis in die Achtzigerjahre in vierter Generation geführt. Dann habe es einfach nicht mehr rentiert, sagt der heute 87-Jährige. «Ich musste aber nie jemanden entlassen und die Löhne wurden allesamt bis zum Schluss ausbezahlt, sagt er rückblickend.

130-jährige Geschichte

Gegründet wurde die Pfeifen- und Stockfabrik Tschan im Jahr 1892. Gründer war der Urgrossvater von Bruno Tschan. ­Inspiriert wurde Moritz Tschan von den Künsten eines Fahrenden aus dem ­benachbarten Frankreich. Dieser suchte für sich und seine Familie für den Winter eine warme Unterkunft. Zum Dank schenkte er dem Bauer, der die Familie für einen Winter aufnahm, eine aus zwei Weidewurzelstöcken gefertigte Pfeife, die der Bauer auch stolz nutzte. Der Drechsler und Schreiner Moritz Tschan wurde darauf aufmerksam und begann um die Jahrhundertwende in einem ­kleinen Atelier bei sich zu Hause damit, Tabakpfeifen herzustellen.

Was von Moritz ins Leben gerufen wurde, verblieb bis heute in den Händen der Familie Tschan. Bereits Arnold Tschan, der Sohn von Moritz, erbaute 1930 in der Frohmatt den Betrieb am heutigen Standort. Anfang der Fünfzigerjahre wurde das Fabrikationsgebäude erweitert und es wurden zusätzlich drei bis fünf fremde Arbeiter eingestellt. Weiter stellte Max Tschan die Fabrikation um, und es wurden auch Spazier- und Wanderstöcke gefertigt. «Auf diese haben wir eigenhändig ­folkloristische Motive wie Edelweisse geschnitzt und sie an Schweizer Touristenorte wie beispielsweise Zermatt oder Interlaken verkauft. Dort wiederum wurden sie zum beliebten Souvenir für Gäste aus dem In- und Ausland», sagt Bruno Tschan nicht ohne Stolz.

Die Kunst des Pfeifenmachens

Eine Pfeife wird traditionell aus Bruyère-Wurzelholz gefertigt. Das Holz, das in Kleinlützel gebraucht wurde, stammte aus Korsika. Für die Verarbeitung musste das Holz mindestens 20 Jahre alt sein — je älter, desto besser. Für das Mundstück der Pfeife wurde zuerst Büffelhorn aus Argentinien verwendet, später, als der Tierschutz dieser Praxis einen Riegel geschoben hatte, wich man auf Hartgummi aus. «Die Herstellung einer Pfeife bedarf grosser Geschicklichkeit und langjähriger Erfahrung», so Tschan.

Ende der Achtzigerjahre hatte das Pfeifenrauchen einen schweren Stand. Die Pfeife wurde je länger, desto mehr durch die Zigarette verdrängt und das Rauchen geriet in Verruf, da gesundheits­schädigend. Auch die Anfertigung von Spazierstöcken rentierte nicht mehr. So beschloss Bruno Tschan, die Fabrik zu schliessen.

In den Produktionsräumen sieht es jedoch noch so aus, als wäre die Arbeit auch in den letzten 30 Jahren unvermindert weitergegangen. Die Maschinen ­stehen immer noch da, als warteten sie auf ihren nächsten Einsatz. Dies wird wohl kaum der Fall sein. Das Pfeifen- und Stockmuseum wurde in ein Museum umgewandelt: «Die Idee dafür stammt vom ehemaligen Grenchener Stadtpräsidenten Boris Banga, der hier einst zu Besuch war.» Tschans Vorschlag, alles auf den Ballenberg zu zügeln, habe Banga jedoch nicht gepasst: «Das Museum bleibt im Kanton Solothurn!», habe dieser gesagt.

Das Museum hat auf Anfrage geöffnet. Bruno Tschan bietet Führungen an und gewährt damit der Nachwelt einen Einblick in das alte Gewerbe. Auch können noch Pfeifen erstanden werden. Anmeldungen und Auskunft unter der Telefonnummer 061 771 02 04.

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