Eine römische Orgie? Gott bewahre!

Vielleicht war es etwas eintönig, was die Steinzeitmenschen und die Landarbeiter assen. Aber es war um einiges besser, als die Protznahrung der römischen Gutsherren. Zwei kleine Ausstellungen zeigen längst vergangene Kochkünste.

Degustation: Viele skeptische Gesichter beim römischen Apéro. Am Schluss war trotzdem alles aufgegessen. Foto: Gini Minonzio
Degustation: Viele skeptische Gesichter beim römischen Apéro. Am Schluss war trotzdem alles aufgegessen. Foto: Gini Minonzio

Bevor der Neid auch nur ansatzweise aufkeimen kann, sagen wir es lieber direkt: Sie haben schrecklich gegessen, die superreichen Gutsbesitzer der römischen Villa im Rodersdorf. Ganz schrecklich. Da nützt es auch nichts, dass sie in einem riesigen Luxuspalast lebten. Testen konnte man römische Speisen letzten Freitag in Rodersdorf. 90 Personen liessen sich den Vortrag des Kantonsarchäologen Pierre Harb und der Archäologin Mirjam Wullschleger über die römischen Funde in Rodersdorf nicht entgehen. Eingeladen hatte das Archäologische Museum Kanton Solothurn, das eine spannende Wanderausstellung zum Thema «Wer is(s)t denn da?» zusammengestellt hat.

Wie gesagt, der Apéro war ein veritables Erlebnis. Für die superreichen Gutsbesitzer gehörte es zum guten Ton, möglichst teure, importierte Lebensmittel aufzutischen. Doch beim Degustieren entstand der Eindruck, dass der Geschmack sekundär war. Hauptsache teuer! So waren die importierten Melonenstücke mit kostspieligem Pfeffer gewürzt und als Getränk gab es Mulsum: Weisswein mit teurem Honig. Wenn so was bei den berühmten römischen Orgien aufgetischt wurde, kann man direkt froh sein, das verpasst zu haben!

Die Gutsverwalter hingegen konnten sich keine importierten Lebensmittel leisten. Doch das typische Gericht Perna war ebenfalls ein Sammelsurium von verschiedenen Geschmäckern: Schinkenwürfel in Rotweinsauce, gewürzt mit Zwiebeln, Rosinen, Essig, Traubensaft, Sellerie und Honig! Das schmeckt genauso, wie es tönt.

Am besten speisten vor 2000 Jahren die Landarbeiter. Das typische Eintopfgericht Puls Fabata mit Bohnen, Dinkel und Lauch ist wirklich gut.

In Rodersdorf ist noch ein Monat eine kleine Ausstellung zum Thema Essen zu sehen. Für Rodersdörfer ist das Anschauungsmaterial besonders spannend. «Wenn Sie einen Himbeerstrauch setzen, können Sie unter glücklichen Umständen in Rodersdorf bereits auf römische Scherben stossen», erklärte der Kantonsarchäologe Pierre Harb. In einem solchen Fall bittet er darum, den Fund der Kantonsarchäologie zu melden.

Wie kocht man ohne Pfannen?

Eine kleine, aber ausgesprochen feine Ausstellung gibt es auch in Erschwil. Sie ist dem Thema Essen in der Steinzeit gewidmet. Zu sehen sind die allerältesten Funde des Kantons Solothurn: Steinschaber, die 40000 bis 80000 Jahre alt sind, und Funde aus Erschwil. Zudem sind Kochmethoden der Altsteinzeit anschaulich dargestellt, wo die Menschen noch keine Töpfe hatten.

Letzten Samstag führte der Archäologe Jürg Sedlmeier einen Trupp von 30 Interessierten zum Erschwiler Chesselgraben, wo er 1985 eine Lagerstätte entdeckt hat. Als die altsteinzeitlichen Jägerinnen und Sammlern vor 16000 Jahren vorübergehend beim Felsvorsprung und bei der angrenzenden Wiese wohnten, war das Klima kühl. «Die Menschen assen grosse Mengen Fleisch», erklärte Sedlmeier. Als einen der schönsten Funde bezeichnet er die Gargrube. Davon konnten in der Schweiz erst eine Handvoll nachgewiesen werden. Die Menschen im Chesselgraben füllten Glut in ein Erdloch, legten in Blätter gewickelten Fisch hinein, und deckten alles mit Glut und Erde zu. Dann galt es zu warten, bis alles gar war.

Beim abschliessenden altsteinzeitlichen Apéro konnte man feststellen: Doch, so ein blätterumwickelter Fisch schmeckt wirklich gut!

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