Aus Peter wird Deborah
Es braucht Mut, sich öffentlich zu outen. Deborah tut dies, um auch anderen auf ihrem Weg Mut zu machen, zu ihrem Lebensweg und ihrer Identität zu stehen.

Die Tür öffnet sich. Eine gross gewachsene, sportliche Frau begrüsst mich freundlich und lässt mich eintreten. Es ist offensichtlich, dass dieser Mensch bei seiner Geburt nicht dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurde. Körperbau und männliche Gesichtszüge verraten es: Deborah war früher Peter. Und dieses «Früher» ist gar noch nicht so lange her.
Vor zwei Wochen erschien im «Wochenblatt» ein Bericht zum Vortrag von Fachpsychologe Patrick Gross unter dem Titel «Geschlecht im Wandel», der in der Stedtlibibliothek in Laufen nur wenig Publikum anzog. «Der Artikel löste in mir etwas aus. Ich entschied mich dazu, über mich und meine Geschichte öffentlich zu sprechen. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ich mich damit exponiere», sagt sie.
Deborah durchlief als Peter das, was man einen klassischen Lebensweg nennen würde: Lehre im Baugewerbe, Heirat, zwei Kinder, später die Scheidung, nach der die beiden Kinder bei Peter aufwuchsen. Er arbeitete, war aktiv in der Feuerwehr und bestritt Velorennen mit Distanzen, die manch einer als verrückt bezeichnen würde. «Viel Zeit zum Nachdenken blieb da nicht.» In ihrem früheren Leben habe sie nie bewusst das Gefühl wahrgenommen, eigentlich dem sozialen Geschlecht «weiblich» anzugehören, erklärt Deborah heute. Aber vielleicht unbewusst: «Als junger Mann sagte ich immer wieder, dass ich im nächsten Leben als Frau zur Welt kommen möchte.» Und sie sei in ihrer Gefühlswelt schon immer näher bei den Frauen gewesen. «Ich war nie ein Macho-Typ.»
Neue Liebe
Im Jahr 2016 lernte Deborah ihre heutige Frau Ursula kennen — damals noch als Mann. «Etwa zwei Jahre später begann ich damit, mich zu Hause als Frau zu kleiden und mich zurechtzumachen. Das ist mir bis heute sehr wichtig, denn ich möchte weiblich gelesen werden, auch wenn ich mir bewusst bin, dass ich mein biologisches Geschlecht nicht verstecken kann. Meine Partnerin bestärkte mich darin, weil sie sah, dass es mich glücklich macht. Make-up, weibliche Kleidung, manchmal Perücke — ich gefiel mir so. Vor etwa einem Jahr wagte ich mich zum ersten Mal als Frau auf die Strasse.» Das Ganze sei ein schleichender Prozess gewesen, der immer noch andauere.
Gemeinsam durch die Veränderung
Das Paar ist mittlerweile seit zwei Jahren verheiratet. Ursula, die bei dem Gespräch ebenfalls anwesend ist, sagt, dass sie den Weg mit Deborah aus Liebe gehe. «Ich hatte auch Mühe. Aber Liebe kann Berge versetzen. Wir machen diese Veränderungen gemeinsam durch und reden viel miteinander. Wo unser Weg uns noch hinführen wird, wissen wir nicht.» Es sei für beide nicht immer einfach: «Wir müssen Blicke aushalten, haben aber bisher — bis auf wenige blöde Sprüche — keine schlechten Erfahrungen gemacht.» Deborah ergänzt: «Es gibt Kollegen, die sich von mir abgewendet haben, es sind aber auch neue, gute Freundschaften entstanden, nicht zuletzt auch mit Paaren, die in der gleichen Situation leben.» Auch ihr nahes Umfeld komme grösstenteils gut klar mit der neuen Situation — ihre Söhne würden voll hinter ihr stehen. Sie sei seit einem Jahr pensioniert, arbeite aber mittlerweile zweimal wöchentlich als Chauffeurin, auch da sei sie schon als Frau aufgetaucht und werde akzeptiert. «Ich kann schon nachvollziehen, wenn Menschen irritiert sind. Ich besuche seit einiger Zeit regelmässig Treffen von trans Frauen. Beim ersten Mal war ich selbst etwas geschockt, ob dieser Männer in Frauenkleidern, obwohl ich das selbst auch lebe. Man muss sich selbst an sein neues Ich gewöhnen, gerade wenn man es zuvor 60 Jahre anders gemacht hat. Irgendwie bleibe ich ja trotzdem immer ein wenig der Peter.» Traurig stimme Deborah an diesen Treffen, wie sich trans Frauen erst vor Ort umziehen und sich nach dem Treffen wieder männlich gekleidet auf den Heimweg machen. «Viele leben ihre wahre Identität nur heimlich aus und genau das ist es, was ich nicht will. Und ich möchte anderen Betroffenen Mut machen, sich ebenfalls nicht zu verstecken. Es lohnt sich einfach nicht.» Sie sei schon lange nicht mehr als «Peter» draussen gewesen und möchte das auch nicht mehr. «Weiblich ist mein soziales Geschlecht, Deborah meine Identität — und ich möchte raus damit.»