Zehn Millionen Verlust? «Es gibt nichts zu beschönigen»
Reinach hat im vergangenen Jahr rund 3,8 Millionen Franken Verlust gemacht. Doch eigentlich ist das Minus noch grösser. Kommt es nun zur Steuererhöhungen?

Am Montag präsentierte die Gemeinde Reinach die Rechnung 2024. Darin ist ein Verlust von 3,76 Millionen Franken ausgewiesen. Grund dafür seien vor allem steigende Kosten in den Bereichen Alter und Pflege sowie in der Bildung, aber auch tiefere Steuereinnahmen als erwartet. Das schreibt die Gemeinde in der Medienmitteilung. Nur wegen einer Aufwertung des Finanzvermögens liege der Verlust nicht bei 9,65 Millionen Franken.
Einen Tag später betont auch Gemeindepräsident Ferdinand Pulver (FDP) gegenüber dem Wochenblatt, dass der Verlust eigentlich bei fast 10 Millionen Franken liege. Überrascht hat ihn das negative Ergebnis aber nicht. Er habe bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Juli die Gemeindefinanzen begutachtet. «Wir haben dort schon gesehen, dass die Kosten deutlich über dem Budget lagen», sagt Pulver. Reinach habe seit längerer Zeit ein Kostenproblem. Diese seien in den vergangenen zehn Jahren allein in den Bereichen Gesundheit und Bildung um 19 Millionen Franken gestiegen. Damit steht Reinach nicht alleine in der Region, in der Stadt vor der Stadt akzentuiere sich aber einiges. Aufgrund der Quartierpläne verzeichnete Reinach in der Vergangenheit viel Zuwachs, entsprechend nahm auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler zu. Ausserdem würden in Reinach vergleichsweise viele Leute wohnen, die älter als 65 Jahre sind.
Die Gemeinde werde immer wieder darauf angesprochen, warum sie denn das Wachstum gefördert habe. Pulver betont, dass nicht die Gemeinde die Treiberin hinter den zahlreichen Quartierplänen war, sondern die Grundeigentümer. Reinach sei beliebt, ausserdem stamme ein Grossteil der Bausubstanz aus den 60er- und 70er-Jahren und müsse daher erneuert werden. Hier könne die Gemeinde kaum Gegensteuer geben.
Steuereinnahmen gingen zurück, seien aber eine Momentaufnahme
Trotz Bevölkerungswachstum blieben die Steuereinnahmen rund 3,8 Millionen Franken hinter den Erwartungen zurück. Diese seien aber jeweils schwierig zu budgetieren und ein sehr volatiler Budgetposten, sagt Pulver. Es hänge auch stark davon ab, wann die Einwohnerinnen und Einwohner ihre Steuern zahlen. Entsprechend unterschiedlich seien die Zahlen der jeweiligen Jahre. Die abschliessenden Zahlen für das vergangene Jahr würden noch gar nicht vorliegen. Pulver spricht daher von einer Momentaufnahme: «Ich bin optimistisch und kann mir gut vorstellen, dass die Einnahmen in Zukunft wieder höher ausfallen.»
Trotzdem betont auch Pulver, dass sich die Gemeinde in einer schwierigen Situation befinde. «Es gibt nichts zu beschönigen», sagt er. Angesprochen auf eine mögliche Steuererhöhung sagt der Gemeindepräsident, in der jetzigen Situation könne nichts ausgeschlossen werden. Er betont aber, dass mögliche Massnahmen gut aufeinander abgestimmt werden müssten. Nur die Einnahmen oder die Kosten isoliert zu betrachten, sei nicht zielführend.
Darum arbeite der Gemeinderat aktuell an einer mittel- und langfristigen Finanzstrategie, um die Gemeindefinanzen nachhaltig ins Lot zu bringen und die Verschuldung zu reduzieren. Diese erhöhte sich im vergangenen Jahr um 20 Millionen auf 109 Millionen Franken. Hier schlug vor allem das neue Schulhaus Surbaum mit über 15 Millionen zu Buche. Bis Ende 2026 seien keine weiteren Investitionen geplant, nur das Haus der Musik werde noch fertiggestellt. Für andere Investitionen fehle aktuell das Geld. «Wir dürfen die Schulden nicht noch vergrössern», sagt Pulver. Konkrete Massnahmen, wie das strukturelle Defizit Reinachs abgebaut werden kann, könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verkünden. Der Gemeinderat sei aber seit Monaten daran, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. «Ich bin daher zuversichtlich, dass wir Reinach zusammen mit dem Einwohnerrat wieder ins finanzielle Lot bringen», sagt der Gemeindepräsident. Zwar befinde sich Reinach aktuell in einer schwierigen Situation, Pulver ist aber überzeugt, dass die Gemeinde weiterhin ein attraktiver Standort zum Wohnen und Arbeiten bleibe.
Kantonaler Finanzausgleich drückt auf die Bilanz
Trotz des Verlusts im vergangenen Jahr bleibt Reinach auch in absehbarer Zukunft eine Geber-Gemeinde im kantonalen Finanzausgleich. Hierfür ist nicht die Jahresrechnung ausschlaggebend, sondern die Steuerkraft. Diese ist weitgehend unabhängig von den Lasten einer Gemeinde. Sie drückt den Steuerertrag aus, welchen eine Gemeinde hätte, wenn ihr Steuerfuss dem kantonalen Durchschnitt entspräche, und kann somit auch nicht durch Erhöhung oder Senkung der Steuern beeinflusst werden.
Reinach muss für 2024 knapp neun Millionen Franken an den Kanton zahlen. Angesprochen darauf sagt Pulver: «Der Finanzausgleich ist unbestritten ein notwendiges Instrument für den Kanton, das Ausgleichsniveau ist aber zu hoch angesetzt. Wir können uns die acht Millionen im Jahr nicht leisten.» Darum habe Reinach zusammen mit weiteren betroffenen Geber-Gemeinden auch eine entsprechende Gemeindeinitiative lanciert. Deren Ausgang ist aber gleich wie die finanzielle Zukunft Reinachs noch ungewiss.