Konkurrenz durch Kita: Tagesfamilien sind ein Sorgenkind
Seit 50 Jahren vermittelt der Verein für familienergänzende Kinderbetreuung Reinach (FeB) Tagesfamilien. Jetzt steht die Zukunft des Angebotes auf der Kippe.
Während 2021 der Verein für familienergänzende Kinderbetreuung Reinach (FeB) noch 7683 Betreuungsstunden in Tagesfamilien auswies, waren es im vergangenen Jahr nur noch 5704. «Die rückläufigen Betreuungsstunden bereiten uns Kopfzerbrechen», sagt Monika Wenger, Präsidentin des Vereins. «Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die 2009 ihren Anfang nahm», ergänzt sie. Seither sinken die Betreuungsstunden Jahr für Jahr und besonders deutlich seit 2019.
Dabei sei sowohl ein Rückgang der Nachfrage wie auch des Angebotes zu beobachten: Lag die Anzahl Betreuungspersonen Anfang der 1980er-Jahre noch bei rund 40, waren im vergangenen Jahr gerade noch 12 Betreuungspersonen für den Verein tätig. Das Modell Tagesfamilie ist nicht mehr kostendeckend, hat der Verein neben der üblichen Kosten wie Raummiete auch Grund- und Weiterbildungskurse für Betreuerinnen und Betreuer zu zahlen. In anderen Ortschaften sind Tagesfamilien teils von der Gemeinde mitfinanziert oder erhalten Sockelbeträge, um die Betriebskosten zu decken. Seit der politischen Umstellung von Objekt- auf Subjektfinanzierung – Eltern erhalten von der Gemeinde auf Antrag Betreuungsgutscheine – bekommt der Verein keine Gelder mehr und muss die Kosten – 14 Franken sind es pro Betreuungsstunde – den Eltern in Rechnung stellen.
«Die Kindertagesstätten in Reinach, die teils Betreuung zu günstigeren Tarifen anbieten, sind dabei für die Tagesfamilien eine grosse Konkurrenz. Viele Kinder besuchen eine Kita oder eine schulergänzende Betreuung und brauchen keine Tagesfamilie mehr», sagt die Präsidentin. «Schwierig sind für uns auch die freischaffenden Tagesfamilien. Diese erheben niedrigere Elternbeiträge, aber im Vergleich haben Sie dann mehr Lohn, der aber höchstwahrscheinlich weder bei der AHV gemeldet noch versteuert wird.»
Eigentlich ein «Sackgeld»
Alleine kann der FeB das Angebot nicht mehr längerfristig finanzieren. Um die Situation zu retten, ist der Verein politisch aktiv: Ein Antrag auf einen Sockelbeitrag durch die Gemeinde ist aber bereits abgelehnt worden. Der Rückgang an Tagesfamilien führt auch bei der Suche nach Betreuungsplätzen zu Schwierigkeiten: «Oft können wir für Kinder keine Betreuung im Quartier finden, in dem sie wohnen.» Weiter werden zunehmend nur noch kleine Betreuungspensen – etwa ein Mittagstisch pro Woche – gebucht.
Neben Abklärungen mit der Gemeinde hofft der Verein, neue Tagesfamilien – also Tagesmütter oder Tagesväter – zu finden. Dass man als Betreuungsperson keinesfalls reich wird, weiss auch Wenger: «Der Lohn einer Tagesmutter ist mit acht Franken pro Stunde und Kind bedenklich tief. Es handelt sich also um einen kleinen Zusatzverdienst, um Sackgeld eigentlich.»
Doch eine Tagesfamilie hat auch Vorteile gegenüber einer Kita: «Eine Tagesmutter ist zeitlich flexibler, kann abends vielleicht länger betreuen, während eine Kita die Tore schliesst.» Weiter dürfe eine Tagesmutter nicht mehr als fünf Kinder gleichzeitig betreuen: «Das einzelne Kind bekommt also mehr Aufmerksamkeit von der immer gleichen Betreuungsperson», sagt die Kleinkindererzieherin und erfahrene Kita-Leiterin.
Alternativen prüfen
Der Verein FeB wurde 1973 als reiner Tagesfamilienverein gegründet und gehört damit in der Schweiz zu den ältesten seiner Art. Ob der FeB das Angebot weiterführt, entscheidet sich noch in diesem Jahr. «Wir haben auch Möglichkeiten geprüft, ob eine andere Organisation unsere Tagesfamilien übernehmen kann.» So gäbe es mittlerweile Zusammenschlüsse von Tagesfamilienangeboten in verschiedenen Gemeinden. Neben dem Angebot Tagesfamilien führt der Verein zudem seit 1988 das Tagesheim Kakadu mit zwei Standorten über Reinach verteilt. Auch dort sei die Konkurrenz gross, wie Wenger sagt.
kinderbetreuung-reinach.ch