«Ich liebe die Gemeindeversammlung»
In Pfeffingen und Arlesheim gehen heute zwei Epochen zu Ende. Maya Greuter und Karl-Heinz Zeller leiten nach je zwölf Jahren an der Spitze ihrer Gemeinde ihre letzte Gemeindeversammlung.
Wochenblatt:Heute bestreiten Sie beide zeitgleich Ihre letzte Gemeindeversammlung als Schlussstrich unter Ihre gemeindepolitische Karriere. Mit was für einem Gefühl treten Sie aufs Podium?
Maya Greuter: Es ist beides, Freude und Wehmut. Es ist ein Abschied von einer Tätigkeit, die ich 20 Jahre lang ausgeübt habe, 12 Jahre davon als Gemeindepräsidentin. Aber ich freue mich, es ist eine Entlastung. Die Verantwortung, die ich lange hatte, fällt dann weg. Mehr Luft und weniger Termine. Es wird noch einmal eine schwierige Gemeindeversammlung, aber ich habe nie Angst vor Sachgeschäften gehabt.
Karl-Heinz Zeller: Als Präsident muss man immer vorausdenken, auch wenn ein Geschäft abgeschlossen ist, muss man immer schon ein halbes Jahr weiter sein im Kopf. Das gibt eine Spannung, die mochte ich, aber jetzt kann ich heute wirklich sagen, es ist fertig. Das andere ist, für mich ist die Gemeindeversammlung der wichtigste Moment für jeden Gemeinderat. Dort präsentierst du dich und deine Sachgeschäfte. Es war für mich immer enorm wichtig, die Versammlung korrekt und sauber zu führen. Ich hatte immer Respekt davor, aber ich liebe sie einfach. Das werde ich vermissen. Aber ich werde sicher wieder kommen, aber sicher nicht schon im Herbst.
Und jetzt ist das das Ende Ihrer politischen Karriere?
Maya Greuter: Für mich ganz sicher.
Karl-Heinz Zeller: Ich weiss es nicht. Also sicher trete ich im nächsten Jahr kürzer, dann überlege ich es mir noch. Ich bin 56, vielleicht gibt es da noch etwas. Wenn es etwas gibt, worauf ich Lust habe, dann ja. Aber erst mal will ich die Entlastung spüren.
Warum wollten Sie überhaupt in die Politik, Frau Greuter?
Maya Greuter: Man rutscht da so rein. Ich war im Schulrat und wurde gefragt. Aber es ist schon die Idee, etwas für das Dorf zu machen. Bei mir kam hinzu, dass ich mit drei Kindern den Wiedereinstieg in den Beruf nicht geschafft habe. Das war für mich ein super Ersatz, das Jus wieder zu gebrauchen und etwas damit zu machen.
Sie haben Ihr Amt beide mehr als eine Dekade ausgeübt. Wie hat sich in dieser Zeit das Amt verändert und wie hat auf der anderen Seite das Amt Sie verändert?
Maya Greuter: Das Amt per se hat sich nicht sehr stark verändert, aber die Aufgaben sind gewachsen, es ist komplizierter geworden und mit der ausgeprägten Basisdemokratie kommt man auch nicht so schnell vorwärts. Alles braucht viel Zeit. Man kann nicht schnell entscheiden und handeln. Ich bin persönlich ein politischer Mensch geworden, das hätte ich früher nie gedacht, dass ich mich so darauf einlassen werde. Mich interessieren die Anliegen der Dorfgemeinschaft und ich habe das gerne gemacht.
Karl-Heinz Zeller: Hätte man mir vor 24 Jahren und auch noch vor 15 Jahren gesagt, dass gesetzliche Grundlagen wichtig sind, hätte ich das so auf die Seite getan, jaja, klar ist das wichtig. Ich komme aus der Pädagogik, da kann man prägen und entwickeln. Da habe ich mich verändert. Ich ertappe mich heute so häufig dabei, dass ich frage: Wo ist die gesetzliche Grundlage? Das haben mir auch schon Freunde gesagt. Ja du mit deinem Formalen. Ich habe es schätzen gelernt, dass es klare Regeln gibt. Das hat mir Orientierung und Klarheit gegeben. Das nimmt einem auch Angriffsfläche.
Stichwort Angriffsfläche: Man braucht schon eine dicke Haut als Gemeindepräsident?
Karl-Heinz Zeller: Man muss sich Widerständen stellen und klar sein. Auf der politischen Ebene hatte ich Glück, da gab es nie einen solch schweren Entscheid zu treffen, mehr auf der persönlichen Ebene. Das fand ich das Unangenehmste. Man kennt sich, das ist die Stärke des Dorfes, wenn es einem gut geht. Dann ist das toll. Die Nähe ist aber nicht immer einfach, besonders, wenn es Probleme gibt.
Maya Greuter: Ich sah das weniger als Problem. Ich bin auch eher der distanzierte Typ, man sieht mich seltener im Dorf. Ich hatte überhaupt nie ein Problem, wenn ich jemandem, den ich kenne, einen negativen Bescheid geben musste. Ich hätte es immer erklären können. Mir ist wichtig, dass man alle gleich behandelt. Darauf legte ich ganz grossen Wert. Für alle gelten die gleichen Regeln. Ausnahmen oder ein Auge zudrücken bei Bekannten, sind ein absolutes No-Go.
Was für Spuren hinterlassen Sie in Ihrer Gemeinde?
Karl-Heinz-Zeller: Ich würde mich davor hüten, zu sagen, ich sei der «Mister Begegnungszone» oder Ortsplan. Die grosse Kunst ist, grosse Dinge miteinander zu entwickeln und durchzuziehen. Das hat gar nichts mit mir zu tun. Man muss Mehrheiten haben, die muss man finden. Dafür habe ich auch bei Projekten geschaut, sonst ist es nicht machbar. Das Ziel war für mich, Dinge anzupacken. Der Leitbildprozess ist mir da schon geglückt, obwohl ich dafür anfangs belächelt wurde. Da musste ich Mehrheiten finden, die hinter diesen Zielen für das Dorf für die nächsten 20 Jahre stehen. Die Begegnungszone ist ein Beispiel dafür, wie man etwas mit dem Gewerbe macht. Das ist ganz wichtig, das Gewerbe musste zuerst abstimmen.
Maya Greuter: Es ist nie eine Einzelleistung. Aber ich hätte Freude daran, wenn der Baukredit für das Schulhaus durchkommt. Vor knapp 16 Jahren freute ich mich, dass eine Liegenschaft für die Unterbringung der Asylbewerber gekauft werden konnte. Und vor allem auch Sachen, die wir mit anderen Gemeinden zusammen erarbeiten konnten: Verbundlösungen wie die Feuerwehr, Spitex, Altersheim oder Familien- und Jugendberatung. Weil wir eine kleine Gemeinde sind, war es mir wichtig, über die Grenzen hinaus zu schauen, um die Aufgaben, die wir als Gemeinwesen haben, erfüllen zu können.
Sie gehören beide keiner etablierten Partei an. Ist diese ideologische Freiheit ein Vorteil, wenn man Gemeindepolitik betreibt?
Maya Greuter: Für mich schon, eindeutig. Ich war nie abhängig von einem Meinungsbildungsprozess einer Partei, ich musste nie jemanden fragen, was ich denken darf und was nicht. Die absolute Unabhängigkeit war mir total wichtig. In Pfeffingen geht es ganz gut ohne Parteien.
Karl-Heinz Zeller: Ich hatte ja das Glück, dass ich die Frischluft mitgründen und mitgestalten konnte. Mir war es von Anfang an wichtig, Vielfalt zu haben. Auch innerhalb der Gruppierung. Ich durfte immer mich sein. Das ist der Vorteil einer lokalen Gruppierung, die sich auch immer wieder neu findet.