Kein Fotograf mit Feierabend: Ein letzter Gruss von Ludwig Bernauer

Ludwig Bernauer war als Fotograf in der Region eine Bekanntheit. Seine Tochter stellt in der Trotte Arlesheim 300 Kunstfotografien ihres Vaters aus.

Unverkennbare «Handschrift» in seinen Bildern: Ludwig Bernauer wurde durch seine künstlerische Fotografie bekannt. Foto: zvg / Ludwig Bernauer

Einfach eine sonnige Landschaft fotografieren? Das war ihm zu banal. War er mit seiner Kamera, die er stets bei sich trug, an der Basler Fasnacht, interessierte ihn nicht die Geselligkeit. Er richtete seinen Blick dahin, wo sonst kaum jemand hinschaute – auf einsame, traurige Menschen vielleicht, die verloren im Gedränge standen. «Moderne Fotografen machen andere Bilder. Die Räume der ‹Basler Zeitung› betritt Ludwig Bernauer wie ein Bote aus einer anderen Welt», schrieb einst Hans-Peter Platz, von 1983 bis 2003 Chefredaktor der «Basler Zeitung», über den Mann mit Béret und Tabakpfeife. Dem freischaffenden Fotografen gewährte die Zeitung eine ganze Rückseite, liess ihm grosszügig Freiraum: Ludwig ­Bernauer sagte den Redakteuren, wo geschnitten werden darf und wo nicht – er war Chef ­seiner Fotografie.

«Basel ist eine andere Welt»

Als Innerschweizer in Kriens am Fusse des Pilatus 1922 geboren, zog es Ludwig Bernauer in den 1950er-Jahren ans Rheinknie. «Basel ist eine andere Welt. Eigentlich gehört es gar nicht mehr zur Schweiz», schrieb er einmal. Stehe er am Rhein, rieche er die Nordsee, fahre er in die Vogesen, fühle er sich in Schottland. «Von dieser Grenzstadt aus fotografiere ich den Jura, den Schwarzwald und das Elsass. Ohne drei Währungen in der Brieftasche gehe ich nie aus dem Haus.»

In jener Zeit, als er nach Basel kam und später mit seiner Familie in Bottmingen wohnte, lagen zwischen hier und dort Welten: Er entfloh einer sehr konservativen Gegend, entdeckte die Welt am Rheinknie neu. Als gelernter Fotograf arbeitete er erst im legendären Atelier Eidenbenz, einer der ersten Werbeagenturen in Basel, als Laborchef.

1960 machte er sich – weil ihn seine Frau dazu ermunterte – als Fotograf selbstständig. Einerseits arbeitete er für die «Nationalzeitung», die später zur «Basler Zeitung» wurde, andererseits schuf er sich mit künstlerischer Fotografie Bekanntheit. «Kontakte auf der redlichen Ebene und Begegnungen mit begabten Seelen gönnen mir eine Nische», schrieb er über seinen Schritt in die Selbstständigkeit. Seine Arbeiten waren unkonventionell, trugen seine unverkennbare Handschrift. Als Mensch redselig und humorvoll, konnte er in der Sache auch dezidiert seine Meinung äussern. «Die meisten Fotografen stehen beim Abdrücken nicht an der richtigen Stelle», sagte er etwa.

Zeichnete sich eine interessante Stimmung am Himmel ab, rückte er aus, unabhängig davon, wie früh oder spät es war – er war kein Fotograf mit Feierabend. Ludwig Bernauer verstarb im Frühling 2004 mit 83 Jahren. Er hat der Region ein grosses fotografisches Vermächtnis hinterlassen.

300 Fotografien – alle können gekauft werden

Seine Tochter Raffaela Bernauer stellt am kommenden Wochenende unter dem Titel «Ein letzter Gruss und letzte Bilder» rund 300 künstlerische Fotografien ihres Vaters in der Arlesheimer Trotte aus. «Mir ist es ein Anliegen, dass sie jetzt das Licht der Welt erblicken und jemand Freude daran haben kann», sagt sie. Während Auftragsfotografien, mit Ort und Datum verzeichnet, im Staatsarchiv Liestal abgelegt sind, würden diese Kunstarbeiten «irgendwo in einer Kammer liegen bleiben». Raffaela Bernauer hat das Schaffen ihres Vaters hautnah miterlebt, hatte dieser doch sein Labor mit Dunkelkammer im Haus der Familie in Bottmingen. Es war, wie sie sagt, «ein Minenbefehl, dass wir keinen Lichtschalter knipsen durften, wenn Vater in der Dunkelkammer war».

Beim Belichten reichte eine Sekunde, um die ganze Arbeit zu ruinieren. «Das Bild ist von Anfang an in den Händen, das Licht wird abgefangen oder verstärkt. Das ist ein Tanz mit den Händen. Als kleines Mädchen stand ich auf einem Taburettli, habe Vater bei der Arbeit beobachtet. Für mich war das Zauberei.» Aber auch grosse Zauberer müsse man vom Sockel stossen, und da sie sich selbst für Fotografie interessierte, machte sie einen Teil ihrer Lehre beim Vater in der Dunkelkammer. Da er aber «zu unkonventionell» war, musste sie nach zwei Jahren in ein Werbestudio wechseln. «Diese Art von Fotografie interessierte mich aber nicht.» Die heute 59-Jährige hatte sich deshalb entschieden, Sozialpädagogin zu werden.

Alles Unikate

Es ist nicht das erste Mal, dass Arbeiten von Ludwig Bernauer in der Trotte zu sehen sind: Nachdem er die Fotografie auf die alten Tage hin an den Nagel gehängt hatte, begann er zu zeichnen. Diese Zeichnungen waren 2002 in Arlesheim zu sehen. Die Fotografien, die Raffaela Bernauer am Wochenende in der Trotte ausstellt, sind allesamt Unikate – es gibt sie so nur einmal. In einer Zeit, die mit computererzeugten Bildern geflutet wird, sind Bernauers Werke fast ein Gruss aus einer vergangenen Welt.

«Ein letzte Gruss und letzte Bilder – Fotografien von Ludwig Bernauer»: 29. November bis 1. Dezember, Trotte Arlesheim, ­jeweils von 11 bis 18 Uhr.

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