Grüne Welle rollt auch durchs Birseck
Die Grünen holen in den Wahlkreisen Reinach und Münchenstein je einen Sitz. Die GLP gewinnt und verliert ein Mandat.
Man musste kein Prophet sein, um den Sprung von Karl-Heinz Zeller in den Baselbieter Landrat vorauszusagen. Dass dem ehemaligen Gemeindepräsidenten von Arlesheim ein politisches Comeback gelingen kann, lag auf der Hand – nach der ersten grünen Welle durch den Kanton Zürich eine Woche zuvor sowieso. Im Wahlkreis Münchenstein schwang «Kalle für alle» Zeller auf der Liste der Grünen mit knapp 1500 Stimmen klar obenaus. Weniger vorhersehbar war die Wahl des Pfeffingers Marco Agostini im Wahlkreis Reinach. Der Sektionspräsident klassierte sich mit 924 Stimmen hinter dem Grünen-Flaggschiff Klaus Kirchmayr als Zweiter auf der Liste. Agostini wurde über das Birseck hinaus als Abfallsammler bekannt, der sich bei Wind und Regen durch die Wälder kämpft und dabei auf lecke Deponien gestossen ist.
Über einen Sitzgewinn im Wahlkreis Reinach freuen sich auch die Grünliberalen, die mit Christina Wicker-Hägeli in den Landrat einziehen. Die Aescherin setzte sich mit 666 Stimmen auf einer ausgeglichenen GLP-Liste durch. Doch wirklich freuen konnte sie sich nicht. Denn die Grünliberalen verpassten den angestrebten zweiten Sitz in der Wahlregion 2, weil auf der anderen Seite der Birs GLP-Landrat Daniel Altermatt abgewählt wurde. Der Münchensteiner Gemeinderat trägt die Niederlage mit Fassung, hat er sich doch zuletzt vor allem auf die Lokalpolitik konzentriert. «Es war klar, dass die Grünen mit Karl-Heinz Zeller dazugewinnen werden und entweder Christine Frey (FDP), Markus Dudler (CVP) oder eben ich nicht mehr gewählt würden.»
Für die Grünen waren die Wahlen im Birseck ein Sieg auf der ganzen Linie. Addiert legten sie in beiden Wahlkreisen gleich um 5600 Parteistimmen zu. Doch entscheidend, welche Parteien schlussendlich die Sitze erhalten, sind eben die Stimmen aus der ganzen Wahlregion 2, zu der von Muttenz bis nach Laufen zwanzig Gemeinden und fast 70 000 Stimmberechtigte gehören. Genau daran scheiterte denn auch Daniel Altermatt. Für die GLP ist der Status quo insgesamt eine Enttäuschung, sagt die neu gewählte Christina Wicker-Hägeli. «Die Leute hatten wohl das Gefühl, dass sie für ökologische Themen nur die Grünen wählen könnten.»
Landrat wird grüner diskutieren
Im Landrat will sich Wicker-Hägeli beim Sozialabbau, in der Ökologie und auch bei den Finanzen für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. Marco Agostini möchte seine Erfahrungen, die er auf seinen Abfalltouren gesammelt hat, noch stärker einbringen. An seinen Abfalltouren will er festhalten. «Das habe ich nicht aus politischen Gründen getan, sondern weil es getan werden musste.» Als sich Karl-Heinz Zeller vor einem halben Jahr zur Kandidatur entschied, sprach noch niemand von der grünen Welle. Von dieser erhofft sich Zeller mehr Diskussionskultur im bisher von SVP und FDP dominierten Landrat. «Die Diskussionen zu grünen Themen werden nun heftiger, ja man kann sogar sagen, sie werden überhaupt erstmals geführt.»
Proporzpech für Paul Wenger
Was es heisst, zu wenige Parteistimmen zu haben, musste die Reinacher BDP-Landrätin Marie-Therese Müller bitter erfahren. Sie erzielte mit 1052 Stimmen ein persönlich gutes Ergebnis, wurde aber dennoch abgewählt, weil die BDP insgesamt zu wenig Stimmen holte. Sie hadert damit, dass sich die Baselbieter Politik an den Polen aufreibt. «Rechts wurde verloren, links gewonnen. In der Mitte blieb leider nichts hängen.» Für Müller persönlich geht das politische Engagement nach acht Jahren Landrat und 14 Jahren Lokalpolitik zu Ende.
Ähnlich erging es Paul Wenger. Der Reinacher landete auf der SVP-Liste auf Platz drei und schaffte wegen 35 Stimmen die Wiederwahl nicht. Er hadert mit dem «Proporzpech». Eine Erklärung, weshalb es gerade ihn erwischte, hat er nicht. «Ich denke, wir und auch ich haben in unserem Wahlkreis alles gemacht, was wir und ich machen konnten.» Dass der bekannte Bildungspolitiker Wenger sich noch hinter dem ehemaligen Pfeffinger Feuerwehrkommandanten Martin Karrer und der nicht unumstrittenen Caroline Mall platzierte, überrascht. Denn Wenger gilt als konsensfähiger und sehr aktiver Parlamentarier, der über Reinach hinaus bekannt ist. Das Pech bleibt ihm damit an den Füssen kleben. Bereits aus dem Reinacher Gemeinderat wurde er einst knapp abgewählt. Paul Wenger zieht daraus seine Konsequenzen. Er wird auch aus dem Reinacher Einwohnerrat zurücktreten. «Für mich ist mit der Abwahl eine Epoche abgeschlossen.»
Keine Probleme mit der Wiederwahl hatte die Aescher Familie Kirchmayr, wo Sohn Jan (SP) seinen Vater Klaus (Grüne) überflügelte und nach Kathrin Schweizer das beste Ergebnis aller Gewählten im Birseck erzielte. Kantonalpräsident Adil Koller, Fraktionschefin Miriam Locher und die Reinacher Gemeinderätin Bianca Maag-Streit schafften für die SP die Wiederwahl ebenso souverän. Bei der SVP wurde neben Caroline Mall und Martin Karrer auch der Arlesheimer Peter Brodbeck bestätigt. Reinachs Gemeinderätin Béatrix von Sury und der Arlesheimer Markus Dudler verteidigten für die CVP die Sitze aus dem Birseck; Balz Stückelberger, Christine Frey, Jacqueline Bader und Rolf Blatter diejenigen für die FDP.
Das Birseck wählt wie der Kanton
Bei den Regierungsratswahlen votierte das Birseck wie der ganze Kanton für die Konkordanz und somit für die Rückkehr der Sozialdemokraten in die Baselbieter Regierung. Die neu gewählte Kathrin Schweizer platzierte sich auch in den Wahlkreisen Reinach und Münchenstein insgesamt hinter den bisherigen Anton Lauber und Isaac Reber auf dem hervorragenden dritten Platz und liess damit sogar die bisherigen Amtsinhaber Monica Gschwind (FDP) und Thomas Weber (SVP) hinter sicher. Für den noch SVP-Landrat Paul Wenger keine Überraschung. «Ich denke, selbst eine Frau oder ein etwas gemässigter SVP-Kandidat hätte gegen Kathrin Schweizer keine Chance gehabt.» Er empfand Thomas de Courtens Wahlkampf im Birseck als «zu passiv». Er sei schlichtweg zu wenig präsent gewesen. Notiz am Rande: Hätte nur die Gemeinde Pfeffingen den Regierungsrat gewählt, wäre de Courten und nicht Schweizer gewählt worden.