Die Frage nach der Mehrwertabgabe spaltet die Birsecker Gemeinden

68 der insgesamt 86 Baselbieter Gemeinden wehren sich in einem Komitee gegen das kantonale Mehrwertabgabe-Gesetz. Während Münchenstein sich an vorderster Front für ein Nein einsteht, stehen die Gemeinden Reinach und Aesch abseits.

Umstrittenes Gesetz: Mit der Annahme der kantonalen Mehrwertabgabe wird den Gemeinden die Möglichkeit genommen, eigene Abgaben auch bei Um- und Aufzonungen zu erheben, so wie es die Gemeinde Münchenstein im Fall des Läckerli-Huus-Areals (Baustelle
Umstrittenes Gesetz: Mit der Annahme der kantonalen Mehrwertabgabe wird den Gemeinden die Möglichkeit genommen, eigene Abgaben auch bei Um- und Aufzonungen zu erheben, so wie es die Gemeinde Münchenstein im Fall des Läckerli-Huus-Areals (Baustelle unten links) bis vor Bundesgericht erstritten hat. Foto: ZVG

Am 10. Februar wird im Baselbiet über das kantonale Mehrwertabgabe-Gesetz abgestimmt. Zusammen mit der grossen Mehrheit der Baselbieter Gemeinden setzen sich aus dem Birseck die Gemeinden Arlesheim, Pfeffingen und insbesondere Münchenstein dezidiert für ein Nein ein. Profiteure des neuen Gesetzes seien wenige grosse Arealeigentümer – auf Kosten aller Steuerzahler, so ein Hauptargument.

Das Gesetz stammt vom bürgerlich dominierten Landrat, der entgegen dem Vorschlag der Baselbieter Regierung auf eine Mehrwertabgabe bei Auf- und Umzonungen von Arealen verzichten will. Mehr noch: Er verbietet es den Gemeinden gar, bei Auf- und Umzonungen eine Mehrwertabgabe zu verlangen. Nur Neueinzonungen sollen abgegolten werden. Die Gemeinden erhalten davon aber nur 25 Prozent. Damit würde die Vorgabe des Bundes im Rahmen des

revidierten Raumplanungsgesetzes, dem das Schweizer Stimmvolk 2013 klar zugestimmt hat, nur minimal umgesetzt, kritisiert Münchensteins Gemeindepräsident Giorgio Lüthi (CVP). «Dass heute in Agglomerationsgemeinden mit

hohem Siedlungsdruck noch Einzonungen stattfinden, ist unwahrscheinlich. Wenn wir im Innern verdichten, wie es das Raumplanungsgesetz vorschreibt, braucht es Ersatz in Form von Grünflächen und Spielplätzen und Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen und Verkehrslösungen.» Ohne Mehrwertabgabe profitiert der Arealbesitzer, der dank einer Auf- oder Umzonung mehr bauen kann und so finanziell profitiert, während die Steuerzahler für ihn die Infrastruktur bezahlen.

Rechtslage wird unklar

Gemäss Landratsmehrheit würden jedoch Mehrwertabgaben Investoren abschrecken. Münchenstein habe in zwei Fällen bewiesen, dass dies nicht der Fall ist, entgegnet Giorgio Lüthi. «Wir haben für Aufzonungen mit zwei Investoren acht Millionen Franken vereinbart, weil sie genau wussten, wie die Gesetzeslage in Münchenstein ist, und sie sich auch bewusst waren, dass sie von der Aufzonung finanziell profitieren.» Die klare Rechtslage in Münchenstein unterstütze Investoren und verhindere jahrelange Verhandlungen. Mit der Landratsvorlage werde die Rechtslage aber unklar, kritisiert Lüthi. Zudem sei das Gesetz in mehreren Punkten bundesrechtswidrig.

Der Münchensteiner Gemeindepräsident weiss, wovon er spricht. Das Bundesgericht in Lausanne pfiff vor gut zwei Jahren den Baselbieter Regierungsrat zurück, der es Münchenstein verbieten wollte, eine Mehrwertabgabe auf die Umzonung beim Läckerli-Huus-Areal zu verlangen. Mit dem Verbot habe der Kanton die Gemeindeautonomie verletzt, so das Bundesgericht. Insbesondere hielt es fest, dass Nutzungspläne eine typisch lokale Angelegenheit seien und damit der Gemeindekompetenz unterliegen. Demnach müsse auch die Gemeinde die Abgabe erheben können.

Die Bürgerlichen im Landrat – mit- orchestriert von der Wirtschaftskammer und dem Hauseigentümerverband – sprechen derweil von einem «fairen Kompromiss». Giorgio Lüthi kann darüber nur den Kopf schütteln. «Das Gesetz ist nur gegenüber einigen wenigen fair.» Besonders ärgert sich der Münchensteiner Gemeindepräsident beim Thema Gemeindeautonomie, für die sich die Baselbieter Stimmbevölkerung 2017 aussprach. Der Landrat kappe diese mit dem vorliegenden Mehrwertabgabe-Gesetz, in dem er den Gemeinden eine individuelle Lösung verbietet. «Das ist verfassungswidrig», schimpft Lüthi. Dass FDP-Sprecher Rolf Richterich während der Landratsdebatte klarstellte, dass die «Musik der Politik» im Landratssaal und nicht beim Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) spiele, zeige die Haltung einiger Landräte deutlich auf, so Lüthi.

Reinach und Aesch nicht dabei

Es war der VBLG, der das Komitee lancierte. In diesem Komitee nicht vertreten sind unter anderem Aesch und Reinach. Einen Franken musste jede Gemeinde pro Einwohner für die Kampagne bezahlen. Dies sei für Reinach nicht infrage gekommen, erklärt Gemeindepräsident Melchior Buchs (FDP). Inhaltlich sei Reinach der Vorlage gegenüber «ambivalent». Man hätte sich mehr Freiheiten für die Gemeinden gewünscht, könne aber mit dem vorliegenden Gesetz leben, auch wenn dieses nicht «optimal» sei. Es gebe auch Steuerzahler, die vom Gesetz profitieren. «Wenn wir Steuergelder für eine Vorlage ausgeben, muss dies einen klaren Nutzen für die Steuerzahler haben», betont Melchior Buchs.

Es sei nicht am Verband, sich in solch politischen Fragen zu engagieren, findet Aeschs Gemeindepräsidentin Marianne Hollinger (FDP). «Es geht bei dieser Vorlage nur in einem kleinen Teil um eine Verteilung zwischen Kanton und Gemeinden. Es geht hauptsächlich darum, ob und wie viel Geld dem Bürger abgenommen wird. Es ist eine Frage zwischen Staat und Bürger, deshalb nicht Aufgabe des Verbands, Abstimmungskampf zu machen.» Über politische Fragen sollen Parteien und Personen argumentieren. Das Wichtigste der Vorlage sei, so Hollinger, dass es bei grösseren Quartierplänen den Gemeinden weiter möglich ist, von den Investoren Infrastrukturabgaben zu verlangen.

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