Wer soll das Sagen haben – Bürger oder Gemeindeparlamentarier?
Wer schaut dem Gemeinderat besser auf die Finger? Wie steht es um die Bürgerbeteiligung? An einem überparteilichen Podium wurde eine allfällige Wiedereinführung des Einwohnerrats diskutiert.
Lukas Hausendorf
Soll Münchenstein den Einwohnerrat wieder einführen? Diese Frage ist in der Vorortsgemeinde virulent. Am 19. Juni wird die Gemeindeversammlung ihr Votum darüber abgeben – wieder einmal. Von 1972 bis 1979 hatte Münchenstein bereits ein Gemeindeparlament, das aber an seiner eigenen Überheblichkeit gescheitert sei, wie alt Einwohnerratspräsident Klaus Droz am gut besuchten, vom «Wochenblatt» und von der «bz Basel» mitorganisierten Podium am vergangenen Donnerstag sagte. Der kontroverse Schlagabtausch im Depot der Fahrbar war Teil einer breit angelegten Meinungsbildungskampagne des Jungpolitiker-Bündnisses «The Next Generation», das den Einwohnerrat in Münchenstein wieder auf die politische Agenda gesetzt hat.
Grundsatzentscheid
Gemeindeversammlung oder Kommunalparlament ist ein Grundsatzentscheid. Das wurde auch am Podium rasch klar. «Man trifft auf einen Dorfknäuel», kritisierte Urs Peter Moos. Der Binninger BDP-Politiker gehörte sechs Jahre dem Einwohnerrat seiner Gemeinde an, bevor er in die Exekutive gewählt wurde. Dabei deckte Moos just als Einwohnerrat den Schlossmauerskandal auf. «Ein Widerspruch», hakte die Pratteler Einwohnerrätin Andrea Klein (CVP) ein. Sie empfindet das Dorfparlament in ihrem Wohnort überhaupt nicht als handzahm. «Der Gemeinderat tut mir schon fast leid. Wir klopfen ihm ziemlich fest auf die Finger.» Moos hielt dagegen, dass längst nicht jeder Einwohnerrat seine Arbeit gewissenhaft verrichtet. «Sie tun so, als würde man automatisch kompetent, wenn man gewählt ist», konterte er. Ein Einwand, der auch an der Gemeindeversammlung gemacht werden kann, auf die sich auch nicht jeder Bürger gleich gut vorbereitet.
Repräsentation und Bürgerbeteiligung
«An der letzten Gemeindeversammlung stand ein Bürger auf und verhinderte ein Strassenbauprojekt, das ist doch super», sagte Stefan Haydn. Für den Münchensteiner SVP-Vorstand eines der stechenden Argumente gegen den Einwoh-nerrat. Ja, wo sollte der Bürger denn noch aufstehen können und sagen: «So nicht!»
Die Frage der Bürgerbeteiligung war eines der zentralen Themen, die auf dem Podium erörtert wurden. Die Gemeindeversammlung lässt tatsächlich direkte Bürgerbeteiligung zu. Allerdings nur zu Themen, für die sie zuständig ist. Wäre der Einwohnerrat denn tatsächlich das Ende der Partizipation für den einfachen Bürger? Mitnichten. Die Einwohnerräte hätten ja auch einen Draht zur Bevölkerung. «Da können auch Anliegen in den Rat hineingetragen werden, wo sie dann seriös diskutiert werden», so Andrea Klein. Zudem sei die Interessensvertretung in einem Parlament ausgeglichener, was fairer sei gegenüber dem Souverän. An der Gemeindeversammlung sei aber die Bevölkerung viel breiter vertreten, weshalb auch die Entscheide breiter abgestützt seien, wandte Haydn ein. Dafür sei die «Gmeini» zufälliger zusammengesetzt, konterte der Reinacher Alt-Einwohnerrat Franz Wirth (SP) und spielte damit auf deren Anfälligkeit für Betroffenheitsentscheide an.
Institutionalisierte Kontrolle
Dafür ist die Gemeindeversammlung wahrscheinlich kostengünstiger. Und erst noch direktdemokratischer. Man darf sich aber fragen, wie viel funktionierende Institutionen wert sein dürfen. Einwohnerräte seien überteuert und die Kontrolle könnten ebenso gut Kommissionen übernehmen.
«Die Gemeindekommission hat praktisch keine Kompetenzen», merkte Daniel Altermatt (GLP) in der Fragerunde an. Demgegenüber hätte der Einwohnerrat tatsächlich viel griffigere politische Instrumente in der Hand, um auf die Exekutive und Verwaltung Einfluss zu nehmen. Welchen Weg Münchenstein gehen wird, entscheiden seine Bürger vermutlich an der Urne. Unabhängig vom Votum am 19. Juni scheint ein Referendum gegen den Entscheid der Gemeindeversammlung nämlich wahrscheinlich. Einem Zufallsergebnis will man dann doch nicht trauen. Und die Tragweite der Frage ist gross genug, dass sie einen echten Volksentscheid rechtfertigt.