«Heute trainiere ich, um zu halten, was ich habe»

Der ehemalige Sportler und Politiker Paul Wyss erzählte am Dienstag im reformierten Kirchgemeindehaus aus seinem bewegten Leben.

Viel erlebt: Mit seinen 96 Jahren blickt Paul Wyss auf ein ereignisreiches Leben zurück und hat entsprechend viel zu erzählen, so auch am Männerpalaver. Foto: Caspar Reimer

Am Dienstagabend fand im Gemeindehaus der reformierten Kirche wieder das Männerpalaver statt. Dabei kommen jeden Monat meist ältere Männer zusammen, um etwa Themen zu diskutieren oder Vorträgen zu lauschen. Diesmal war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt: Unter dem Titel «I did it my way» war der 96-jährige, in Münchenstein lebende Exsportler und Expolitiker Paul Wyss eingeladen worden, um über sein Leben zu referieren. Dabei überraschte er mit spannenden Aussagen: «Ich sehe, dass Sport heute oft eine Geldmaschine ist. Das ist aber nicht zu ändern. Der Sport wurde weltweit professionalisiert. Da musste die Schweiz mitziehen.»

Paul Wyss wuchs in Basel auf, war in seinen Jugendjahren Eishockeyspieler beim hiesigen EHC, später beim SC Bern. Er war zudem – das erste Mal als 14-Jähriger – Goalie in der Nationalliga. 1952 nahm er auch an den Olympischen Winterspielen in Oslo als Torhüter der Schweizer Nationalmannschaft teil. Dass er auch noch Diskuswerfer in der Leichtathletik-Nationalmannschaft war, sei nebenbei erwähnt. «In allen Sportarten geht es darum, viel zu trainieren und auf vieles zu verzichten. Dadurch habe ich eine Selbstdisziplin erlernt, die sich automatisiert hat.»

Personaldirektor und Oberst

Der Wirtschaftswissenschafter arbeitete ab 1954 in der Personalabteilung der J. R. Geigy AG und wurde 1970 Personaldirektor der durch Fusion von Ciba und Geigy entstandenen Ciba-Geigy. «Es war meine Aufgabe, die Unternehmenskultur der beiden Firmen zusammenzuführen – die eine wurde mehr autoritär geführt, die andere partizipativ.» Von 1977 bis 1993 war er unter anderem Vizepräsident und Direktor der Basler Handelskammer, danach CEO der Messe Basel. Auf die Frage, wie es denn möglich gewesen sei, neben seinem Beruf eine solch grosse Anzahl an Ämtern und Funktionen wahrzunehmen, sagte er: «Ich habe dies immer mit meinem Arbeitgeber abgesprochen.» Passend zu seiner sportlichen Vorgeschichte machte Paul Wyss Karriere bei der Schweizer Armee – er wurde Oberst und war Kommandant des baselstädtischen Infanterieregimentes. 1632 Diensttage habe er geleistet.

Ab 1977 war Wyss Nationalrat für die FDP und präsidierte als solcher unter anderem die Militärkommission. Anfang der 1990er-Jahre leitete er eine schweizerische FDP-Arbeitsgruppe, welche Eckpunkte der Schweizer Neutralität formulierte. Dabei versteht es sich von selbst, dass Wyss immer ein grosser Fürsprecher der Schweizer Armee war und dies in Vorträgen auch zum Ausdruck brachte. Ein Anwesender sagte dazu: «Paul Wyss hat mich dazu gebracht, an die Schweizer Armee zu glauben.» Das politische System Schweiz bezeichnete Wyss zwar als komplex und etwas schwerfällig, letztendlich sei es aber anderen vorzuziehen.

Auszeichnung «Basler Stern»

Die Erzählungen von Paul Wyss gelangten an einen nachdenklichen Punkt, als er von der Brustkrebserkrankung seiner ersten Ehefrau berichtete: «Unsere vier Kinder waren Teenager und ich beruflich voll ausgelastet. Gleichzeitig hatten wir uns um Erziehung und Ausbildung der Kinder zu kümmern. Als sie starb, hinterliess sie eine grosse Lücke.» Nach dem Tod seiner Frau lernte Paul Wyss aber im beruflichen Umfeld seine neue Lebensgefährtin kennen. Auch nach seiner Karriere im Personalwesen blieb Paul Wyss stets vielfach engagiert, war er doch etwa Präsident der Stiftung «Basel tanzt». 2005 erhielt er die Auszeichnung «Basler Stern», mit der Persönlichkeiten honoriert werden, deren Wirken über Basel hinaus strahlt. Zum Schluss gab es von ihm einen Befund zu seinem körperlichen Zustand: «Früher trainierte ich, um besser zu werden. Heute trainiere ich, um zu halten, was ich habe.»

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