Gemeindeversammlung schafft sich selbst ab
Die Münchensteiner wünschen sich die Einführung eines Einwohnerrats. Wirklich alle? Der endgültige Entscheid fällt nach dem Richtungsentscheid der Gemeindeversammlung im Herbst an der Urne.
Genau 331 Stimmbürger oder knapp 4,5 Prozent der Münchensteiner Stimmberechtigten entschieden am vergangenen Donnerstagabend über die Abschaffung ihrer Gemeindeversammlung. Die Frage, welche Organisationsform für die Gemeinde die beste sei, schien im Vorfeld das Dorf zu spalten. Der letzte Anlauf die Legislative durch ein Gemeindeparlament zu ersetzen scheiterte vor acht Jahren an der Urne. Das war aber nicht immer so. In der Zeit von 1972 bis 1979 hatte Münchenstein bereits ein Gemeindeparlament, das aber durch eine Volksabstimmung wieder zugunsten der Gemeindeversammlung abgeschafft wurde. Daniel Altermatt (GLP) wollte es aber wieder wissen und brachte das Geschäft an der Gemeindeversammlung vom vergangenen Dezember wieder auf die Agenda und am Donnerstag zum Showdown.
Offener Schlagabtausch beider Lager
Die Vorzeichen dürften die Einwohnerrats-Befürworter zuversichtlich gestimmt haben. Der Gemeinderat hatte sich wie auch die Gemeindekommission für die Reform ausgesprochen. Gemeindepräsident Giorgio Lüthi (CVP) bat die Bürger um ein Ja. «Dann können alle Stimmbürger darüber abstimmen. Das ist echte Basisdemokratie.» Adil Koller vom Jungpolitikerbündnis «The Next Generation», welches die Diskussion um die politische Neuorganisation mit viel Engagement angezettelt hatte, hielt eingangs der Debatte ein flammendes Plädoyer für die Abschaffung der Versammlungsdemokratie. «Alle drei Monate Ja oder Nein sagen, das reicht mir nicht. Ich will gestalten. Dass sieben Leute im Gemeinderat alle Geschäfte alleine machen, das passt mir nicht», fasste er seinen Frust über seine fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten in Worte.
Demgegenüber standen die Ängste des konservativen Lagers vor Demokratieverlust. Oder die von der FDP geäusserte Furcht vor einem «ineffizienten Debattierklub». Hinzu käme die chronische Personalnot in Parteien und Vereinen. «Für uns ist es sehr unklar, ob wir 36 gute Leute haben», so Parteipräsident David Meier. «Angst darf Münchenstein nicht vorantreiben», mahnte dagegen Filip Winzap (BDP), der eigens für die Gmeini aus München angereist kam, um eine engagierte Rede für den Mut zum Wechsel zu halten.
Zu Wort meldete sich in der einstündigen Debatte auch Klaus Droz, der während acht Jahre dem Münchensteiner Einwohnerrat angehörte, diesen auch ein Jahr präsidierte und den anwesenden Skeptikern versichern konnte, dass in dieser Zeit keine Katastrophe passierte. «Münchenstein hat tadellos funktioniert.» Das konterte Paul Messmer vom Komitee Pro Münchenstein. Die Verhinderung der Katastrophe sei dem Korrektiv des Volkes zu verdanken. Dieses habe in der Zeit von 1972 bis 1979 die Hälfte der Beschlüsse des Einwohnerrats an der Urne wieder rückgängig gemacht.
Entscheid an der Urne
Der Beschluss am Ende der einstündigen, kontroversen, aber im Ton sachlich geführten Debatte war eindeutig. Die Befürworter waren mit 155 in der Überzahl gegenüber den 136 Einwohnerratsgegnern. Das letzte Wort über die Einführung eines 36-köpfigen Gemeindeparlaments, das mit ständiger Rechnungs-, Geschäftsprüfungs- sowie einer Bau- und Planungskommission ausgestattet ist, hat der Souverän im Herbst. Der Urnenentscheid wurde für September oder Oktober in Aussicht gestellt.
Gemeinde zehrt vom Eigenkapital
Zum ersten Mal seit 2004 schloss die Gemeinde 2013 das Rechnungsjahr mit einem Aufwandüberschuss ab. Das Defizit beläuft sich bei einem Gesamtertrag von rund 51 Millionen auf 1,162 Millionen Franken und liegt damit nur marginal über dem Voranschlag für das Rechnungsjahr. «Wir haben das Budget im Griff gehabt», so Finanzchef Jürg Bühler. Münchenstein hatte steigende Kosten im Sozial- und Gesundheitswesen zu verdauen. Zudem wurden Rückstellungen für Schulraumerweiterungen gebildet. Belastet hat die Rechnung auch die Äufnung eines Steuerdelkredere von fast einer Million Franken, die
nötig wurde aufgrund zunehmender Steuerausstände. Der Bilanzfehlbetrag kann vollumfänglich mit dem Eigenkapital der Gemeinde gedeckt werden, das nach Abzug noch 9,6 Millionen Franken beträgt.
Gestiegen ist dagegen die Nettoverschuldung wegen gestiegener Nettoinvestitionen. Das belastet den Münchensteiner Haushalt aber nicht wirklich.
Wegen des zurzeit tiefen Zinsniveaus ist die Bedienung dieser Verbindlichkeiten auf ein Rekordtief von knapp über 600000 Franken gesunken.