Die Wiege von SRF steht in Münchenstein

Schauspieler Walter Andreas Müller begibt sich in der Sendung «Schweizer Comedy-Legenden» (SRF 1, Samstag, 20.45) auf Spurensuche von nationalen Kabarettperlen – und findet dabei auch den Weg ins Birseck.

Fernsehen vor 60 Jahren: In einer Werkhalle auf dem Walzwerkareal in Münchenstein stellte sich die spätere Crème de la Crème des Schweizer Kabaretts – hier Margrit Rainer und Ruedi Walter – erstmals für ein kleines Publikum vor die Kameras.
Fernsehen vor 60 Jahren: In einer Werkhalle auf dem Walzwerkareal in Münchenstein stellte sich die spätere Crème de la Crème des Schweizer Kabaretts – hier Margrit Rainer und Ruedi Walter – erstmals für ein kleines Publikum vor die Kameras. Foto: ZVG/SRF

Thomas Brunnschweiler

Hallo! Do isch Kuenz in Bünze!» Nummern wie das «Telefon» von César Keiser oder auch «Am Skilift» mit dem Cabaret Rotstift sind selbst Jahrzehnte nach ihrer Entstehung ungebrochen populär und gehören längst zum Schweizer Kulturgut. Der Schauspieler Walter Andreas Müller geht in einer Sendung den Geschichten und Anekdoten hinter diesen und anderen legendären Sketchen nach – und findet dabei auch den Weg nach Münchenstein, wo vor 60 Jahren in der Schweiz erstmals Fernsehen gemacht wurde. Hier trifft der Schauspieler auf den heute in Arlesheim wohnhaften Marcel Huber – einem Zeitzeugen der Geburtsstunde des «neuen» Mediums.

Zeitzeuge erinnert sich
Wer die Berichte jener Zeit liest und Marcel Huber zuhört, der im Jahre 1952 gerade einmal 15 Lenze zählte, kann sich eines Schmunzelns nicht erwehren. Damals gab das Post- und Eisenbahndepartement eine provisorische Konzession für einen Fernsehprogrammdienst. Die Mustermesse in Basel wurde als ideales Versuchsfeld für das Medium angesehen. Aber die Basler Bevölkerung schmetterte die von der Regierung geplante Unterstützung von 55 000 Franken ab, nicht zuletzt, weil einige Studenten das Referendum ergriffen hatten. Darunter war auch der spätere Theologieprofessor Heinrich Ott. Die studentischen Parolen lauteten: «Für eine gesunde Jugend, eine gesunde Familie, ein gesundes Volk und gegen den kulturellen Rückschritt.» Marcel Huber, ehemaliger Sekundarlehrer für Sprachen und Mitautor der Münchensteiner Heimatkunde: «Damals war das Fernsehen noch weit weg. Die pädagogischen Vorbehalte in der Bevölkerung waren aber gross, wobei wir Jungen das Fernsehen toll fanden.»

Fernsehen für wenige
Trotz des Basler Neins kam die Versuchsanlage dank der Hilfe des Kantons Basel-Landschaft und Privater zustande. Rechtzeitig zur Mustermesse konnten das Tonfilmstudio in der ehemaligen Werkhalle der BBC und der Sender Gempen in Betrieb genommen werden. An der Messe wurden 33 Empfänger aufgestellt, wo rund 90 000 Besucher gegen einen Franken jeweils zwanzig Minuten Fernsehen schauen konnten. Margrit Rainer und Ruedi Walter spielten ein Ehepaar, dass sich einen Fernsehapparat gekauft hatte und sich vor dem stummen Gerät sein Wunschprogramm vorstellte.

Marcel Huber war damals Präses der Jungmannschaft Münchenstein, die oft zu Kinoabenden zusammenkam. Er war Feuer und Flamme für das revolutionäre mediale Projekt und besuchte – wie rund 5000 andere Muba-Besucher – die Werkhalle, wo die Kameras herumstanden. «Es gab eine Menge Scheinwerfer, die eine unwahrscheinliche Wärme entwickelten», erinnert er sich, «da jedoch der Raum nach oben offen war und es auch eine Laufkatze gab, waren die Voraussetzungen ideal.»

Eine fast vergessene Episode
Marcel Huber erinnert sich auch an César Keiser, der einige Häuser neben ihm aufgewachsen war. «César Keiser erschien im schwarzen Anzug und mit Fliege, hochgewachsen und schlank», sagt Huber, «und gab gleich einen Kommentar über die Halle ab: ‹Hier kann man ja den halben Münsterplatz unterbringen›.» In den Augen des Zeitzeugen erregte der Pionierbetrieb wenig Aufsehen. Tatsächlich gab es ja in den Stuben der Bevölkerung noch keine Fernsehapparate und von der Möglichkeit, auch nach der Muba in 24 öffentlichen «Fernsehstuben» die neue Technik zu begutachten, machten nur gerade einmal 2250 Personen Gebrauch. Als das Geld aufgebraucht war und der Versuch am 12. Juli 1952 abgebrochen wurde, nahm die Öffentlichkeit kaum Notiz davon.

Nur Frau Vögtli vom Restaurant Gempenfluh blieb das Fernsehabenteuer in bleibender Erinnerung. Die TV-Equipe, die vom Turm aus senden durfte, strich ihr nämlich aus Dankbarkeit den ganzen Betrieb neu. «Wir dachten damals nie, dass das Fernsehen eine solche Entwicklung nehmen würde», so Huber, der bis heute bedauert, dass das Schweizer Fernsehen schliesslich seinen offiziellen Betrieb in Zürich aufnahm, nämlich am 1. April 1953 im Zürcher Studio Bellerive.

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