Das Rauschen ist die Botschaft
Eine Ausstellung im Haus für elektronische Künste auf dem Dreispitzareal widmet sich den Klanglandschaften urbaner Räume und vermittelt über das Ohr auch eine neue Erfahrung unserer Umwelt.
Lukas Hausendorf
Verkehr, Baustellen und Geschnatter, die Stadt ist akustisch ein Aggregat unterschiedlichster Geräusche, deren Summe gemeinhin als Lärm beschrieben wird. Diesem Lärm widmet sich das Haus für elektronische Künste auf dem Dreispitzareal in seiner aktuellen Ausstellung «Urban Sounds». Das von Pro Helvetia über das trinationale Programm Triptic geförderte Projekt versucht die Komplexität urbaner Räume akustisch mit Mitteln der Klangkunst darzustellen. Meist in Verbindung mit visuellen Gestaltungsmitteln werden dem Betrachter über den kreativen Umgang mit dem Rauschen der Stadt neue Erfahrungshorizonte vermittelt, die das auditive Erleben des eigenen Lebensraumes möglicherweise nachhaltig zu prägen vermögen.
Den Auftakt macht eine Arbeit von John Cage, der in seiner ersten Komposition für Tonband «Williams Mix» urbane mit ruralen, elektronische mit manuell erzeugten Tonaufnahmen verschränkt. Die Arbeit aus den 1950er- Jahren entstand noch unter ganz anderen technologischen Voraussetzungen, wie sie heute gegeben sind, spurte aber den Weg vor, den die Klangkunst heute noch beschreitet. Geräusche werden gesammelt, fragmentiert, neu arrangiert, verfremdet, rekombiniert oder gar erst in den Hörbereich transformiert.
Letzteres tun die «Electrical Walks», die von der Künstlerin Christina Kubisch anlässlich der Ausstellung in Basel angeboten werden. Über spezielle Kopfhörer werden elektromagnetische Felder hörbar gemacht. Einer ist in der Stadt, der andere in unmittelbarer Nähe des Hauses der Elektronischen Künste auf dem Dreispitzareal positioniert.
Das Areal bildet zurzeit die perfekte Kulisse eines sich urbanisierenden Raumes und schafft so einen natürlichen Bezug zur Ausstellungsthematik. «Die Anbindung ans Quartier war uns ein wichtiges Anliegen», erklärt die künstlerische Leiterin des Hauses Sabine Himmelsbach. Überraschende Sinneserfahrungen halten auch die Arbeiten «Urban Drift» von Maria Chavez und «go your gait!_part19» von Katrinem parat. Chavez verknüpft Filmmaterial der letztjährigen Unruhen in London mit übereinandergelagerten Schallplattenfragmenten, deren Abspielen den irritierenden Soundtrack zur visuellen Hektik der Videos liefert. Katrinems Installation als Kontrast dazu ästhetisiert den menschlichen Gang. An drei Plätzen in Basel, Mulhouse und Karlsruhe wurden Bewegungsmuster von Passanten analysiert und in Töne übertragen, welche die rhythmischen Gehspuren einer Stadt sicht- und auch hörbar machen.
Der Presslufthammer ist zu viel
Während im Innern des Hauses für elektronische Künste der Lärm von Baustellen und Strassenkreuzungen in ästhetisierter Form zelebriert wird, wüten draussen, wo ein neues Quartier entsteht, Schlagbohrmaschine und Presslufthammer. Der Campus der Hochschule für Gestaltung nimmt Gestalt an und ein paar Meter weiter realisieren Herzog & de Meuron ihren 40 Meter hohen Speicher, der sowohl Archiv ihres Schaffens wie auch Wohn- und Gewerberaum wird. Für die Ausstellung ist die Stadtwerdung des ehemaligen Zollfreilagers aber zu viel des Lärms.
Deshalb wurden die Öffnungszeiten auf ruhigere Zeiten am frühen Abend gelegt. An den Wochenenden sind zudem Themenschwerpunkte mit Konzerten und Workshops angesetzt. Diesen Samstag steht im Rahmen des Schwerpunkts «Kombinieren» eine Uraufführung des Deutschen Komponisten und Medienkünstlers Johannes Kreidler auf dem Irmat auf dem Programm. Der Irmat ist ein Multitouchtisch, an dessen Entwicklung das Elektronische Studio der Basler Hochschule für Musik beteiligt war.
Haus für elektronische Künste, Oslostrasse 10, Münchenstein, «Urban Sounds» bis zum 3. November.Mittwoch bis Freitag, 17–20 Uhr, Samstag und Sonntag, 13–20 Uhr. Kostenlose Führungen werden jeweils am Donnerstag um 18 Uhr und am Sonntag um 15 Uhr angeboten. www.haus-ek.org