Das Ende einer Ära

Am Dienstagvormittag verliess die Fahrbar im Walzwerk nach 15 Jahren via Hebekran und Schlepper ihren Standort und fuhr ihrem neuen Zuhause entgegen.

Nach 15 Jahren Stand 15 Minuten Flug: Die Fahrbar am Dienstag. Foto: Axel mannigel
Nach 15 Jahren Stand 15 Minuten Flug: Die Fahrbar am Dienstag. Foto: Axel mannigel

Dienstagmorgen, 7 Uhr, Walzwerk Münchenstein: Die Fahrbar, rund 15 Jahre lang angesagtes Lokal und beliebter Treffpunkt in der Region, wartet auf ­ihren Abtransport. Es ist kalt, aber Anspannung liegt in der Luft und lässt die Kälte vorerst vergessen. Der 23 Meter lange Eisenbahnwaggon, der einst auf den Strecken Konstanz–Engen und Singen–Schaffhausen im Einsatz war, ist für die Reise vorbereitet. Nach so langer Standzeit war es etwa notwendig, die Bremsen und Ventile mit Druckluft wieder zu lösen, so dass der Waggon nun auf dem Gleis nach vorn und in Position für den Kran gezogen werden kann. Bevor dieser die ehemalige Bar in die Luft hebt, vergehen rund zwei Stunden, denn die ganze Operation wird von den Mitarbeitern der Spezialfirma Welti-Furrer gewissenhaft vorbereitet und durchgeführt. Einerseits muss der Kran gut abgestützt, andererseits muss er mit 70 Tonnen ­Gegengewicht belastet werden, um den 28 Tonnen schweren Waggon zu heben. Schliesslich ist es noch notwendig, ein Hebegerüst zu bauen und die Aufhängung an der Fahrbar anzubringen.

Um 9.50 Uhr ist es so weit: Die Fahrbar hebt sich in die Luft und landet 15 Minuten später millimetergenau auf dem ­Sattelschlepper.

Covid-19 zwingt zur Aufgabe

«Mit dem Umzug der Fahrbar gewinnen wir neuen Platz an einem wichtigen Ort», sagt Pascal Bauer, Asset Manager bei der Zürcher Swiss Finance & Property Group (SFP), der das Walzwerk-Areal mit seinen über 80 Mietern gehört. Nachdem sich der bisherige Fahrbar-Leiter Joel Schneebeli nicht zuletzt aufgrund der für nahezu alle Restaurantbetriebe höchst nachteiligen Auswirkungen von Covid-19 gezwungen sah, die Fahrbar aufzugeben, konnten immerhin neue Betreiber für das Fahrbar-Depot, in Zukunft Walzhalle, gefunden werden. Der Waggon jedoch musste weichen, auch wegen des risikoreichen Unterhalts, so Bauer und ergänzt: «Wir haben allerdings Wert darauf gelegt, dass die Fahrbar weiterleben kann und nicht verschrottet wird.» Über den langjährigen Hauswart Roger Beutler konnte ein Abnehmer für den in die Jahre gekommenen Waggon gefunden werden: die Birtel Biermanufaktur auf dem Dreispitz-Areal.

Neues Zuhause auf dem Dreispitz

Unter den vielen Schaulustigen, die für das einmalige Schauspiel aus ihren Werkstätten, Ateliers und Büros gekommen sind, befindet sich auch Daniel Gosteli, Inhaber und Leiter bei Birtel. Mit leuchtenden Augen schaut er in die Höhe, läuft um Kran und Schlepper und kann sein Glück kaum fassen: «Das ist etwas, was man nicht jeden Tag erleben darf. Und der kleine Bub in mir hat eine Riesenfreude an dem Riesenkran», lacht der Bierbrauer. Was erst eine verrückte Idee gewesen sei, wurde plötzlich ganz konkret, erzählt Gosteli. «Wer kann schon sagen, er habe einen Zug gekauft?»

Die Fahrbar steht also seit Dienstagnachmittag vor der Birtel Biermanufaktur in der Frankfurt-Strasse und tatsächlich auch wieder auf einem Gleis. Gosteli will den Waggon als Brauerei-Bar erhalten, auch wenn die Zukunft pandemisch gesehen unsicher ist. Er brauche fürs Gastrokonzept sowieso einen Innenraum – mit der Fahrbar hat er nun einen ganz besonderen mit hohem emotionalen Wert.

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