Bittersüsser Schmerz
Mit seinem Weltklasse-Spiel begeisterte das Vlach Quartet aus Prag das Publikum in der Trotte. Seine Schubert- und Dvorák-Interpretation war bis zum Schluss kraftvoll und spannend.
Thomas Brunnschweiler
Das Streichquartett ist die Königsdisziplin der klassischen Musik. Es stellt sowohl an den Komponisten wie an die Ausführenden die höchsten Anforderungen. Am letzten Samstagnachmittag verpasste jeder in Münchenstein etwas, der nicht in die Trotte gekommen war; denn dem Violinisten Ivo Krejci war es gelungen, das international renommierte Vlach Quartet auf seiner Reise in die Provence in Münchenstein auftreten zu lassen.
Schmerz und Lust
Als erstes spielte das Quartett Franz Schuberts Streichquartett Nr. 14 «Der Tod und das Mädchen». Es entstand in Schuberts schwerster Zeit und spiegelt musikalisch die Zerrissenheit und den mit Todessehnsucht gepaarten Schmerz. Schon im Mahnruf des ersten Satzes zeigte sich der romantische Schmelz des Streicherklangs des Quartetts und dessen Fähigkeit, die differenzierte Musik Schuberts zum Vibrieren zu bringen. Einmal schroff, einmal zart-geschmeidig wird dieses Allegro in Sonatensatzform entwickelt und endet im ermatteten Niedersinken in Trauer.
Der zweite Satz nimmt die Einleitung des Liedes «Der Tod und das Mädchen auf» und variiert es fünfmal. Jana Vlachowá zeigte an der ersten Geige in der ersten Variation ein untrügliches Gespür für Rhythmik, in der zweiten Variation verlieh Mikael Ericsson am Violoncello dem Thema einen warmen und geschmeidigen Klang. Aber auch die Mittelstimmen von Karel Stadtherr, Violine, und Jirí Kabát, Viola, überzeugten durch kraftvolle Präsenz. Das Presto-Finale spielten die vier Musiker nochmals voller Energie, welche die Spannung aufrechterhielt.
Ländliche Unbeschwertheit
Fast ebenso bekannt wie Schuberts Streichquartett Nr. 14 ist Antonin Dvoráks Streichquartett F-Dur op. 96, das «Amerikanische». Es erzählt von Freudigkeit, Farbenpracht und der behaglichen Stimmung des Landaufenthalts. Im Allegro ma non troppo kommt die Bratsche zu einem schönen Einsatz und ein kleiner Kanon wird hörbar. Das intime Lento wird fast durchgängig von einer auf- und absteigenden Begleitfigur getragen. Der Mittelteil entwickelt sich zum Ausdruck grosser Sehnsucht, verbunden mit einem innigen Glücksgefühl.
Im Molto vivace, einer kurzen Bagatelle, bringt Dvorák eine Melodie ins Spiel, die er von einem Vogel abgelauscht haben soll. Im Finale, das ein fröhliches Thema einführt, kommt nochmals der slawische Charakter zum Vorschein. Das Vlach Quartet spielte textgenau, präzise, kraftvoll, rhythmisch dezidiert und liess sich vom starken Applaus zu einer Zugabe ermuntern.