Und wieder fliesst Gift in die «Schwinbach-Aue»
Seit Anfang Mai haben Umweltschützer erneut sechs Verschmutzungen der «Schwinbach-Aue» durch das Bauprojekt La Colline registriert.
Das Naturschutzgebiet «Schwinbach-Aue» kommt nicht zur Ruhe: «Insgesamt kam es in den letzten Wochen zu sechs Überflutungen mit stark ökotoxischem Betonwasser, ausgehend von der Baustelle La Colline», sagt Jennifer McGowan von der Initiative Natur- und Kulturraum Dornach-Arlesheim. Dabei sind die Verschmutzungen nicht die erste Auswirkung des Bauprojekts auf das Feuchtgebiet: Weil die Baustelle die natürlichen Quellen der «Schwinbach-Aue» zum Versiegen brachte, musste die Firma im Frühling eine Notbewässerung installieren – wie sich zeigte, erfüllte die Anlage ihren Zweck nicht und etliche kleine Tierarten, die im Naturschutzgebiet ihr Zuhause hatten, sind bereits verschwunden. Wie es möglich sei, fragen sich die Naturschützer, «dass eine Bauherrschaft seit rund sieben Monaten regelmässig unsere Natur- und Gewässerschutzgesetzgebung verletzt und nichts Effektives dagegen unternommen wird»?
Die Liste der Schadensfälle, die McGowan dem «Wochenblatt» zugeschickt hat, ist lang und zeichnet ein Bild einer Bauherrin, die zwar regelmässig Massnahmen zum Schutz der «Schwinbach-Aue» ankündigt, deren Wirkung jedoch – betrachtet man die Wassermessungen, welche die Naturschützer vor Ort durchführen – unzureichend sind. «Wir nehmen jeden Tag Messungen vor.» Die Wasserproben werden an ein «auf Umweltanalysen spezialisiertes Labor geschickt und bestätigen jeweils eine starke Wasserverschmutzung mit Betoninhaltsstoffen.» Die letzten beiden Vorfälle ereigneten sich vergangene Woche zwischen Donnerstag und Samstag, der schlimmste Vorfall jedoch, bei dem «rund 90000 Liter Betonwasser in das Naturschutzgebiet geflossen sind» hatte sich am 29. und 30. Juni zugetragen: Während sechs Stunden seien am 29. Juni «rund 60000 Liter verschmutztes, ätzendes Betonwasser in das Naturschutzgebiet und von dort in den Schwinbach gelangt.»
Zu giftig, um abzupumpen
Ein Abpumpen des Wassers in die Kanalisation sei wegen dessen Giftigkeit vom Amt für Umweltschutz und Energie AUE nicht bewilligt worden, stattdessen verordnete dieses, die Lauge in obenliegende Bereiche der Baustelle zu pumpen, obwohl die Naturschützer darauf hinwiesen, «dass das Wasser einfach wieder den Hang hinabfliessen würde. Und genau so geschah es: In der Nacht vom 30. Juni strömten während elf Stunden rund 30000 Liter Giftwasser ins Naturschutzgebiet.» Sowohl die Bau- und Umweltschutzdirektion Baselland wie auch die Bauherrin Steiner AG sehen die Ursache für die Heftigkeit der Überflutung vom 29. Juni im Starkregen, der über die Region hinweggezogen war. Dieser Einschätzung widerspricht McGowan: «Der Regen ist nicht die primäre Ursache für die ständig wiederkehrenden Havarien.» Der eigentliche Grund sei – gemäss einem hydrologischen Fachgutachten – «die Zerstörung der Speicherfähigkeit des Bodens durch den ausgedehnten Aushub.» Die Firma Steiner AG war Anfang Mai nach einer Giftwasserüberflutung vom AUE aufgefordert worden, Massnahmen zu treffen, damit ein Abfluss von Schmutzwasser aus der Baustelle nicht mehr vorkomme. Auf konkrete Fragen des «Wochenblatts» an die Bauherrin – unter anderem jene, welche Massnahmen denn nun getroffen würden, um solche Ereignisse künftig zu verhindern – geht die Firma nicht ein, sondern verweist in einem kurzen Statement auf den Starkregen, insbesondere jenen am 29. Juni. Auch Andrea Bürki, Mediensprecherin der Bau- und Umweltschutzdirektion, stellt einen Zusammenhang zum Niederschlag her: «Die Massnahmen, welche einen Abstrom von Wasser aus der Baustelle verhindern sollen, erfüllen diese Funktion unter normalen Gegebenheiten.» Aus dem Niederschlagsereignis abzuleiten, «dass die getroffenen Massnahmen nicht tauglich seien, ist nicht angemessen». Laut Bürki wurden weitere Massnahmen getroffen, um auf zukünftige Starkregen «bestmöglich vorbereitet zu sein».
Demokratisch legitimiert
Aus Sicht des Regierungsrates geht das Engagement der Naturschützer zu weit, so hatte dieser im vergangenen Herbst einen «runden Tisch» mit den Initianten abgelehnt. Der Vorwurf: Die Naturschützer würden über demokratisch gefällte Entscheidungen hinwegsehen. Auch Andrea Bürki verweist auf die Entstehungsgeschichte der Überbauung: «Das Projekt La Colline ist mehrfach demokratisch legitimiert.» Es liege nicht nur eine rechtskräftige Baubewilligung vor, «2013 gab es dazu auch eine Volksabstimmung und später ein Kantonsgerichtsurteil». In der Baubewilligung sei unter anderem verfügt worden, «dass das anfallende Hangwasser aufgefangen, um die Gebäude geleitet und in die an die Erdoberfläche reichende, wasserstauende Schicht versickert werden muss».
Markus Eigenmann, Gemeindepräsident von Arlesheim, betont ebenso, dass das «Bauprojekt an sich bewilligt und nicht hinterfragt» werde. Er sagt aber auch: «Die negativen Auswirkungen der Bautätigkeit auf das Naturschutzgebiet müssen minimiert werden.» Es liege beim Kanton, die Auflagen zum Gewässerschutz durchzusetzen.
Kein Freipass
Das Argument, der Überbauung liege eine Baubewilligung und eine demokratische Entscheidung zugrunde, hört McGowan oft. Sie sagt dazu: «Eine Baubewilligung ist kein Freipass, laufend die Natur- und Gewässerschutzgesetzgebung zu verletzen. Diese Gesetze gelten immer, mit und ohne Baubewilligung.» Schon die Quartierplanung «Uf der Höchi 2», die der Überbauung zugrunde liegt, ist nach Meinung der von den Naturschützern beauftragten Experten fehlerhaft verlaufen. Die Fondation Franz Weber hat den Fall «Schwinbach-Aue» deshalb vor Bundesgericht gebracht. Das Verfahren ist hängig.