Dunkle Erinnerungen an «La Colline»: Streit um Arlesheimer Landreserve

Eine Bürgerbewegung wehrt sich gegen ein Bauvorhaben neben dem Goetheanum, blitzt aber vor Kantonsgericht ab. Die Ita-Wegman-Klinik hatte das Land an Inves­toren verkauft.

Umstrittenes Vorhaben: Drei fünfeckige Bauten sollen in unmittelbarer Nähe zum Goetheanum entstehen.Foto: zvg / Visualisierung

Der Verkauf ging Ende 2019 über die Bühne. Ausgerechnet die anthroposophische Ita-Wegman-Klinik verkaufte damals eine der besten Landreserven Arlesheims an die Generalunternehmerin Implenia. Diese entwickelte auf dem grünen Fleck in nächster Nähe zum Goetheanum ein Bauprojekt, das fünf Häuser und über 50 Wohnungen umfasst. Nur hat sich gegen das Bauvorhaben vehementer Widerstand gebildet.

Wie schon beim umstrittenen Projekt «La Colline» gibt es laut verschiedenen Fachgutachten Bedenken, was den Natur- und Denkmalschutz anbelangt. Der Verein «Initiative Natur- und Kulturraum Dornach-Arlesheim» (IDA) bekämpft die Pläne von Implenia seit nunmehr fünf Jahren. Am 25. Februar hatte das Baselbieter Kantonsgericht über die Beschwerde zu befinden. 85 Privatpersonen hatten diese einzeln eingereicht. Entsprechend gross war das Publikumsaufkommen im Liestaler Gerichtssaal.

Goetheanum gab sich zunächst diplomatisch

Nach dem Verkauf des Baulandes stellte sich die Klinik Arlesheim hinter das Projekt von Implenia. Noch heute lässt sich die damalige Kommunikationsleiterin Verena Jäschke auf der Website zum Bauprojekt «Schwinbach Süd» wie folgt zitieren: «Aus unserer Sicht fand ein kons­truktiver Dialog mit allen Stakeholdern statt. Das ganze Verfahren wurde zwischen Implenia und der Klinik abgesprochen und ist aus unserer Sicht korrekt und transparent durchgeführt worden.» Die Klinik verkaufte das Bauland vermutlich auch, um den 70 Millionen Franken teuren Spitalneubau zu finanzieren, der derzeit entsteht.

Derweil gab sich das Goetheanum damals diplomatisch. In einer Stellungnahme, die mittlerweile vom Netz genommen wurde, schrieb der Pressesprecher: «Die Verantwortlichen im Goetheanum wünschen – auch überkantonal – gute nachbarschaftliche Verhältnisse und folgen bei Baufragen den Verfahrenswegen. Es kann deshalb nicht das Anliegen sein, andere in ihren Bauvorhaben zu behindern, es sei denn, es gingen davon Gefahren oder grössere Einschränkungen für den Goetheanum-Bau, seine bauliche Umgebung und seinen Gartenpark aus.»

Gut ein Jahr später schaltete die anthroposophische Organisation beim Bauprojekt «La Colline» die Gerichte ein und wollte einen Baustopp erwirken, weil sie das Naturschutzgebiet bedroht sah. Mittlerweile ist die Überbauung mit 29 Wohnungen und 16 Reiheneinfamilienhäusern fertiggestellt. Die Umweltverbände kritisieren noch immer, die Quellen des Naturschutzgebiets seien nun versiegt.

Gericht beurteilt Architektur nicht als «fremd»

Der Verein IDA als treibende Kraft hinter den Beschwerden fürchtet nun, das gleiche Szenario könne sich beim Bauprojekt «Schwinbach Süd» wiederholen. Die Bürgerbewegung wollte vor Gericht erreichen, dass abgeklärt wird, ob durch das Bauprojekt ein schützenswertes Feuchtbiotop auf dem Quartierplanareal beeinträchtigt wird. Das Kantonsgericht kam jedoch einstimmig zum Schluss, die Frage des Naturschutzes sei genügend geklärt. Der referierende Kantonsrichter Niklaus Ruckstuhl stützte sich dabei auf den rechtskräftigen Zonenplan der Gemeinde. Darin sei eine schützenswerte Parzelle im südöstlichen Teil des Areals ausgeschieden worden. Und auch die Aue des Schwinbachs sei geschützt. Ruckstuhl sagte zudem, auch die vier von den Beschwerdeführenden eingereichten Fachgutachten zu den Naturwerten würden nicht belegen, dass das Bauvorhaben ein Biotop beeinträchtige. Die negativen Erfahrungen vom Projekt «La Colline» hätten keinen Einfluss auf das vorliegende Projekt. «Die dortigen Probleme waren auf eine mangelhafte Bauausführung zurückzuführen», sagte er.

Auch bezüglich Denkmalschutz sah Ruckstuhl die Beschwerde als nicht legitim. «Der Quartierplan ‹Schwinbach› führt nicht zu einer übermässigen Überbauung», sagte er. Entsprechend seien die Bauten der anthroposophischen Kolonie nicht beeinträchtigt. «Es darf auch sein, dass die neuen Gebäude eine andere Sprache sprechen.» Ähnlich interpretierten die Richter Markus Clausen und Christof Enderle die Ausgangslage. Die fünfeckigen Bauten könne man auch als neuen Impuls der anthroposophischen Architektur deuten, sagte Clausen. «Vielleicht wird man künftig sagen, die Häuser sind ihrer Umgebung gar nicht so fremd.» Nach fast vierstündiger Verhandlung lehnte das Fünfergremium die Beschwerde einstimmig ab.

Beschwerdeführer sorgen sich um Feuchtgebiet

Es ist wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführenden sich weiter für die aus ihrer Sicht schützenswerten Gebiete einsetzen werden. Die Beschwerdeführerin Jennifer Mc Gowan vom Verein IDA sagt dazu auf Anfrage des Wochenblatts: «Wir sind aufgrund der Gutachten nach wie vor der Ansicht, dass schützenswerte Gebiete gefährdet sind.» Diese Gutachten seien von Experten erstellt worden, daher ziehe sie der Verein nicht in Zweifel. Ein hydrologisches Gutachten komme zum Schluss, dass wegen der geplanten Tiefgarage Grundwasserströme zu den schützenswerten Feuchtgebieten verschmutzt und unterbrochen werden könnten. Damit drohe die Gefahr, dass das im Quartierplanareal gelegene schützenswerte Feuchtgebiet austrockne.

Ausserdem seien die fünf sehr grossen Wohnblöcke in unmittelbarer Nähe zum Goetheanum und innerhalb der an­throposophischen Wohnkolonie geplant. Laut denkmalschützerischem Fach­gutachten verletze das Bauprojekt den ­Umgebungs- und Ensembleschutz der Goetheanumkolonie. «Damit droht die Beeinträchtigung eines Kulturerbes von Weltrang», warnt Mc Gowan. Die Eidgenössische Kommission für Denkmalschutz hat das Goetheanumensemble bereits 2022 als «weltweit einzigartig und deshalb international bedeutend» eingestuft und gleichzeitig ein gemeindeübergreifendes Schutzkonzept gefordert, «das den langfristigen Erhalt des Goetheanums mitsamt der anthroposophischen Kolonie sichert».

Der Entscheid des Kantonsgerichts kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.

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