«Wir sind uns sehr ähnlich»
Die Ukrainerin Alina Grinienko möchte in der Region ein Treffen mit anderen Landsfrauen organisieren. Mit dem Wochenblatt hat sie über ihre Heimat, ihre Flucht und den Unterschied zwischen der Schweiz und der Ukraine gesprochen.
Alina Grinienko hat sich für das Treffen mit dem Wochenblatt einen ruhigen Ort ausgesucht: Auf der Bank vis-à-vis vom Schulheim Waldschule in Aesch hört man nur die Papageien plaudern, die vor der Schule in einer Voliere sitzen. Einige Gänse schnattern und man kann die Aussicht auf Aesch bis nach Basel geniessen. Grinienko ist mit ihren beiden Kindern aus der Ukraine geflüchtet und lebt aktuell bei einer Gastfamilie in Aesch. Ihr Mann und einige ihrer Bekannten sind noch in Kiew. Andere Verwandte sind ebenfalls geflüchtet, ihre Grossmutter ist am dritten Tag nach Kriegsbeginn bei den Angriffen ums Leben gekommen.
Mit einem Lächeln sagt Grinienko, dass es ihr bereits besser gehe. Doch die Traurigkeit steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sie erinnert sich an die Geschehnisse der letzten Monate und Jahre. Ursprünglich stammt sie aus Donezk, zog aber nach den Unruhen 2014 mit ihrer Familie nach Kiew. Kurz nachdem sie sich eine Wohnung in Kiew gekauft hatte, brach aber Anfang dieses Jahres auch dort Krieg aus und sie zog mit ihrer Familie in die Stadt Lwiw. An dem Tag, als die ersten Bomben in Lwiw fielen, verliess sie mit ihren Kindern die Ukraine und fuhr ins Zentrum von Europa. Nach Aufenthalten in Deutschland und Frankreich meldete sie sich am 18. April beim Flüchtlingszentrum in Basel.
Die Ukraine ist viel moderner
Auf Englisch erklärt sie: «Ich war mir sicher, dass die Schweiz ein sicherer Ort ist.» Innerhalb von vier Stunden wurde sie einer Gastfamilie in Aesch zugeteilt. «Die Familie ist sehr nett», lächelt Grinienko. Sie hätte mit ihren Gastgebern sehr viel Glück gehabt. Allgemein seien Schweizerinnen und Schweizer sehr freundlich und hilfsbereit. Ihr 9-jähriger Sohn besucht nun in Aesch eine Primarschule. Er geht gerne zur Schule – da ein zweiter ukrainischer Junge mit ihm in die Klasse geht. Für ihre 15-jährige Tochter war die Situation etwas komplizierter. Zum Glück erhielt sie einen Platz an der International School Basel, in die sie bald eintreten kann.
Obwohl Grinienko lieber in ihrer Heimat wäre, findet sie Aesch schön. Doch nicht alles ist hier so einfach wie in der Ukraine: «In unserem Land ist alles viel moderner. Man kann rund um die Uhr einkaufen gehen. Es gibt auch nicht so viel Bürokratie, man kann innerhalb von einer halben Stunde ein Bankkonto eröffnen – das geht hier in der Schweiz nicht so einfach.» Als sie ins Tal runter schaut, merkt sie an: «Hier ist dafür die Natur sehr schön, die Aussicht ist wunderbar.»
Glückliche Rentner in der Schweiz
Zwischen der Bevölkerung der Ukraine und Schweizern gäbe es aber nicht viele Unterschiede: «Wir sind uns sehr ähnlich», meint sie. «Ausser, dass die Rentnerinnen und Rentner bei euch viel zufriedener sind. Für sie ist gesorgt. Das funktioniert in der Ukraine nicht so», ergänzt sie. In ihrem Land sei die ältere Bevölkerung finanziell auf die Familie und das Umfeld angewiesen.
Was sie am meisten vermisst? Die Antwort kommt schnell: «Alles. Es ist so schwierig ohne meine Freunde, ohne Menschen, die aus derselben Kultur kommen und gleich denken. Und natürlich dieselbe Sprache sprechen wie ich – ich kann schliesslich kein Deutsch.» Sie vermisst ihren Mann, der in Kiew bleiben musste. Sie telefonieren täglich miteinander und sie hofft, ihn bald wiederzusehen. Am liebsten würde sie in ihr Land zurückkehren, doch diesen Schritt wird sie erst gehen, wenn der Krieg endgültig vorüber ist – zur Sicherheit und Gesundheit von ihren Kindern.
«Es müssen Gespräche stattfinden zwischen den Ländern»
«Der Krieg ist einfach schrecklich. Er hat unser ganzes Leben zerstört, das Leben von Millionen von Menschen. Und nun müssen wir uns an einem anderen Ort ein neues Leben aufbauen. Insbesondere für ältere Leute ist das nicht einfach, vor allem, wenn man die Sprache nicht spricht.» Grinienko würde gerne hier arbeiten, doch es sei nicht einfach, als Flüchtling eine Stelle zu finden. Die gelernte Innenarchitektin besucht dafür jetzt Deutschkurse.
Die Frage, was Europa tun kann, um der Ukraine zu helfen, stimmt sie nachdenklich. «Europa tut schon sehr viel, um den Flüchtlingen zu helfen. Für die Ukraine selbst kann Europa nicht viel tun – mit Waffenlieferungen wird der Krieg nicht aufhören. Um den Krieg zu beenden, müssten Gespräche zwischen den beiden Ländern stattfinden, und das wollen die Regierungen momentan nicht», seufzt Grinienko.
Austausch unter Landsleuten
Um mit Menschen in Kontakt zu kommen, mit denen sie sich in ihrer Sprache austauschen kann, hat Grinienko bereits an organisierten Treffen teilgenommen. Doch es kamen bisher nicht viele Ukrainerinnen; viele von ihnen sind aufgrund ihrer Erlebnisse sehr verschlossen und distanziert.
Nun möchte Alina Grinienko andere Ukrainerinnen und Ukrainer treffen, sich mit ihnen austauschen und Aktivitäten planen. Über die Gemeinde konnte Grinienko an keine Kontaktdaten von anderen Gastfamilien gelangen und nimmt nun ihre Vorhaben selbst in die Hand. Gastfamilien oder andere Kontaktpersonen dürfen gerne die Kontaktdaten von Alina Grinienko an ihre Gäste weitergeben, damit sie ihr Vorhaben bald umsetzen kann.
Kontaktdaten Alina Grinienko: E-Mail darilyubov@gmail.com oder Telefon +41 79 886 91 43.