«Waldmacher» zu Gast in Pfeffingen

Im Gespräch mit dem Wochenblatt erzählt der australische Agrarwissenschafter Tony Rinaudo über sein ­Lebenswerk, ausgedorrte Landstriche wieder zu begrünen.

Geeint für Nachhaltigkeit: Daniel Winzenried (links) zeigt Tony Rinaudo (Mitte) und dessen Bruder, Peter Rinaudo, das grüne Pfeffingen. Foto: zvg

Für sein Lebenswerk erhielt Rinaudo 2018 den Right Livelihood Award, auch bekannt als der «alternative Nobelpreis» – denselben Preis erhielt ein Jahr später Greta Thunberg. Seit über 30 Jahren ist er weltweit als Experte für World Vision Australien ­unterwegs. Über das Pfingstwochenende war er in Pfeffingen bei Daniel ­Winzenried, selbst CEO von World Vision Schweiz, zu Gast. Dieser begleitete ihn am Dienstag unter anderem nach Zürich, wo er an der ETH über sein Projekt referierte.

«Es gibt einen unterirdischen Wald. Diesen müssen wir uns zunutze machen», sagt Tony Rinaudo, als er sich am Pfingstmontag mit dem Wochenblatt zu einem Gespräch trifft. In den 1980er- und 1990er-Jahren entwickelte der australische Agrarwissenschaftler eine Wiederaufforstungstechnik, bei der aus unter Wüstensand verborgenen Wurzelsystemen Bäume herangezogen wurden. «Statt immer wieder neue Bäume zu pflanzen, die den Umweltbedingungen nicht standhalten, sollte man im Sinne der Nachhaltigkeit auf die bestehenden Strukturen setzen.» Damit bleibe die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten, erklärt der Agrarwissenschaftler.

Eine Chance für den ursprünglichen Wald

«Ich habe viele Landschaften auf der ganzen Welt durchquert, wo es früher Wälder gab, diese aber gerodet wurden. In diesen Böden existieren aber noch immer die Wurzelsysteme, manchmal sogar Baumstümpfe. Diese sind nicht tot, sondern treiben jedes Jahr neu aus.» Weil die Landwirtschaft aber rasche Erträge brauche, würden diese Triebe wieder entfernt, neue Bäume gepflanzt, was teuer und alles andere als nachhaltig sei. Damit werde die Lebensgrundlage ganzer Landstriche zerstört. «Wir müssen unser Verhalten ändern, um dem ursprünglichen Wald eine Chance zu geben, zurückzukehren.»

Das australische Buschland war Tony Rinaudos Spielplatz, seine Kinderwelt. Als Junge kletterte er auf Bäume, wanderte über die Hügel, ging im Fluss baden, doch schon bald sah er, wie die Menschen das Buschland mit Bulldozern abholzten und in der Landwirtschaft mit Chemikalien arbeiteten, die den Boden zerstörten und Fische vergifteten. «Das machte mich wütend», erinnert er sich.

200 Millionen Bäume nach 20 Jahren

Schon früh begann er, sich für Ökologie zu interessieren, stellte zwischen zerstörten, ausgelaugten Landstrichen und dem Umstand, dass Kinder weltweit hungrig zu Bett gehen, einen Zusammenhang her. «Ich wollte daran etwas ändern.» Nach dem Studium der Agrarwissenschaft zog es ihn gemeinsam mit seiner Frau nach Afrika, insbesondere nach Niger, wo er zehn Jahre lebte und sein Projekt vorantrieb. Sein Wille trug Früchte: Nach 20 Jahren gab es 200 Millionen Bäume, die nicht gepflanzt, sondern mit seiner Methode wieder herangewachsen waren. «Das hatte eine sehr grosse Wirkung. Jedes Jahr wurden dort mehr Nahrungsmittel produziert, weil man jetzt mit der Natur arbeitete, anstatt sie zu zerstören», sagt er. Mit World Vision hat Tony Rinaudo seine Methode in fast 30 Ländern eingeführt. «Einige sind schon weit fortgeschritten, andere fangen gerade erst an.» Ziel sei es, in den nächsten zehn Jahren weltweit eine Milliarde Hektar «degradierter Flächen» wiederherzustellen. «Wir tun vieles selbst, geben aber unser Wissen, unsere Methode auch an andere Organisationen und Partner weiter.» Seinem Erfolg ist es wohl zu verdanken, dass er von den Medien als der «Waldmacher» bezeichnet wird.

Einladung vom EU-Parlament

Seit Tony Rinaudo den «alternativen Nobelpreis» erhalten hat, wird er von politischen Instanzen wie dem Deutschen Bundestag oder dem EU-Parlament eingeladen, um zu referieren. «Die Auszeichnung hat es möglich gemacht, unsere Methode viel ­wirkungsvoller zu verbreiten.»

Ob die Veränderung des Klimas seinen Bemühungen nicht einen Strich durch die Rechnung mache? «In gewisser Weise macht es meine Arbeit sogar einfacher», sagt er. Der Mensch sei ein Gewohnheitstier, ändere erst etwas, wenn «die Bedingungen zu schwierig werden». Seine Methode hält dazu an, sorgsamer mit dem Boden umzugehen, was die Auswirkungen des Klimawandels verringern könne.

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