Vor dem Vergessen bewahrt: Als eine britische Insel evakuiert wurde

Die Insel Guernsey wurde im zweiten Weltkrieg von den Deutschen besetzt. 5000 Kinder wurden daraufhin evakuiert, darunter auch Verwandte von Lucy Leadbeater. Darüber hat die Aescherin ein Buch geschrieben.

Augenzeugenberichte: Grundlage für das Buch von Lucy Leadbeater bildete ihre Maturarbeit. Foto: Désirée Bellwald

Die Insel Guernsey liegt im Ärmelkanal zwischen der Nordküste Frankreichs und der Südküste Englands. Ihre Lage macht sie zu einem militärstrategisch bedeutenden Standort. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die britische Insel von 1940 bis 1945 von der Deutschen Wehrmacht besetzt.

Kurz vor der Besetzung wurden rund 5000 Schulkinder per Schiff von ihren Familien nach Grossbritannien evakuiert. Unter ihnen waren Betty Le Gallez, Kathy Ferbrache sowie deren jüngste Schwester Doreen. Die Geschichte der Frauen hat Bettys Enkelin, Lucy Lead­beater, im neu erschienenen Roman «A Home from Home» gemeinsam mit dem Autor und Journalist Neil Robin festgehalten.

Die Idee zum Buch entstand im Anschluss an die Maturarbeit, die die junge Aescherin mit britisch-guernseyischen Wurzeln 2022 am Gymnasium Münchenstein verfasste. Ziel der Arbeit war es, Augenzeugenberichte zu sammeln und diese mit historischen Quellen abzugleichen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit konnten belegen, dass die Augenzeugenberichte auch nach etlichen Jahren noch immer mit den Darstellungen in den Geschichtsbüchern übereinstimmen. Diese historisch akkuraten Schilderungen bildeten die Grundlage des nun erschienen Romans, der bei Pegasus Pub­lishers veröffentlicht wurde.

«Sie verlassen ihre Insel nur selten»

Im Wesentlichen konzentriert sich das Buch auf die Schilderungen von Betty Le Gallez und Kathy Ferbrache. Ergänzend dazu sind die Geschichten von acht weiteren Kindern abgedruckt. Das einschneidende Erlebnis, als Kind auf unbestimmte Dauer von den Eltern getrennt an einem neuen Ort leben zu müssen, zumeist in einer fremden Familie, wurde von den Betroffenen individuell wahrgenommen.

Die Familie von Lucy Leadbeater schildert die Zeit jedoch erstaunlich positiv. England scheint gerade bei der Schwester von Leadbeaters Grossmutter grossen Eindruck hinterlassen zu haben. Insbesondere die Pflegefamilie, bei der die beiden Schwestern bis zur Ankunft ihrer Mutter untergebracht waren. Schmunzelnd führt sie im Gespräch aus: «Die Bewohner Guernseys verlassen ihre Insel nur selten. Bis heute fahren die meisten von ihnen fast nie in den Urlaub. Sie sehen keinen Sinn darin, weil sie doch bereits im Paradies leben.» Deshalb sei die Zeit weg von zu Hause trotz der Umstände für viele eine einmalige und spannende Erfahrung gewesen.

Rückkehr in die alte Heimat

Nach Kriegsende im Jahr 1945 konnten die evakuierten Kinder nach Guernsey zurückkehren. Darunter befanden sich gemäss Leadbeater auch einige Kinder, die ihr Zuhause so jung hatten verlassen müssen, dass sie ihre neue Heimat nur schwer wieder hinter sich liessen.

Vor jenem Hintergrund entstand der Titel «A Home from Home», der verdeutlicht, dass die Evakuierung für viele Betroffene nicht nur mit Verlusten, sondern auch mit dem Gewinn einer neuen Heimat verbunden war. Auch Betty Le Gallez und Kathy Ferbrache kehrten gemeinsam mit ihrer Mutter und der jüngsten Schwester fünf Jahre nach der Evakuierung heim auf Guernsey, wo die junge Autorin ihre Familie bis heute mindestens zweimal jährlich besucht.

«A Home from Home» ist derzeit bei Pegasus Publishers nur in englischer Sprache erhältlich. Leadbeater schliesst jedoch nicht aus, künftig auch eine deutsche Übersetzung herauszugeben. Weitere Werke sind derweil allerdings nicht in Planung, da sich die Maturandin aktuell auf das neu angetretene Studium konzentriert.

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