Vom Briefträger zum Heimleiter
Martin Schnellmann leitet seit Anfang Juli die Werkstube in Aesch. Das «Wochenblatt» hat ihn zum Gespräch getroffen.
Fabio Halbeisen
Die Werkstube in Aesch hat seit Anfang Juli einen neuen Heimleiter. Es ist dies der Binninger Martin Schnellmann. Er tritt die Nachfolge von Sabine Wenger an. Der 45-Jährige blickt auf eine breite Ausbildung zurück. Nicht weniger als fünf Abschlüsse hat er vollzogen. Zuerst arbeitete er als Briefträger. Danach lernte er Programmierer und daraufhin absolvierte er die Handelsschule.
Später sattelte Schnellmann allerdings um. Zeitweise arbeitete er sogar im Ausland. «Ich habe drei Monate mit Kindern in Sibirien gearbeitet», erzählt er. Wieder in der Schweiz, beginnt Schnellmann im Inselspital in Bern als Hilfspfleger. Danach liess er sich als Pflegefachmann mit dem Schwerpunkt Psychiatrie ausbilden. Dies mit der Absicht, später in Richtung Sozialpädagogik zu gehen. «Nach dem Abschluss als Pflegefachmann habe ich dann in verschiedenen Institutionen gearbeitet, unter anderem auch auf dem Arxhof oder im Blindenheim Basel», erzählt er. Ein Master in Betriebswirtschaft für soziale Unternehmungen rundet das Ausbildungspaket ab. Seit Anfang Juli leitet Martin Schnellmann nun die Werkstube in Aesch mit 27 Mitarbeitern und 14 Bewohnern.
Wochenblatt: Herr Schnellman, wie konnten Sie sich bisher in den Arbeitsalltag einleben?
Martin Schnellmann: Das Einleben war sehr intensiv. Ich bin bereits voll im Alltag drin und arbeite zurzeit bis zu zwölf Stunden am Tag. Die drei Wochen sind wie im Flug verstrichen. Ich bin sehr wohlwollend aufgenommen worden und werde von den Mitarbeitern toll unterstützt, was mir den Start wesentlich erleichtert hat.
Was haben Sie bei Arbeitsantritt vorgefunden?
Martin Schnellmann: Ein motiviertes und intaktes Team, welches eine stabile Säule bildet. Sorgen bereitet mir allerdings die Personalsituation. Es kam in letzter Zeit zu Fluktuationen, weshalb wir neue Arbeitskräfte suchen. Die Stellenbesetzung verlangt Geduld.
Wieso gestaltet sich die Suche nach neuen Arbeitskräften so schwierig?
Martin Schnellmann: Die Bereitwilligkeit, Nachtbereitschaftsdienst zu leisten, unregelmässige Arbeitszeiten inkl. Wochenenden sind nicht jedermanns/jederfraus Sache. Zudem muss das Ganze immer ins Budget passen, darauf muss man also auch Rücksicht nehmen.
Was möchten Sie verändern?
Martin Schnellmann: Ich werde die Arbeit so weiterführen, wie sie Sabine Wenger aufgegleist hat. Vorher war die Werkstube im Familiensystem geführt. Frau Wenger hat neue Strukturen aufgebaut, es wurde professionalisiert und transparent gestaltet. Der Prozess ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Ich werde dies weiterführen und konsolidieren.
Wie lautet Ihr Leitbild, Ihre Philosophie?
Martin Schnellmann: Mir persönlich ist die Qualität sehr wichtig. Professionalität bedingt und bedeutet Transparenz und Qualität. In der Güte, der Kultur, der Haltung und der Ausführung der Arbeit misst sich die Qualität. Auch der Umgang mit den Bewohnern und den Mitarbeitern ist mir wichtig. Ich will mit offenen Augen, Ohren und Armen auf die Leute zugehen. Die Werkstube soll anhand der Möglichkeiten und Rahmenbedingungen, die sich uns bieten, entwickelt und ausgebaut werden. Schritt für Schritt, sodass die Bewohner immer mehr in die Selbstbestimmtheit kommen können.
Wo sehen Sie die Werkstube in zehn Jahren?
Martin Schnellmann: Ich stelle mir eine moderne Werkstube vor, die offen für ein Miteinander mit anderen Institutionen ist. Beispielsweise mit dem benachbarten Kindergarten einen gemeinsamen Mittagstisch durchführen. Vielleicht gibt es aber auch eines Tages gar kein Heim in der jetzigen Form mehr, sondern Wohngruppen, in denen die Bewohner selbst bestimmen können. Egal, was die Zukunft genau bringt, es muss mehr in Richtung Selbstbestimmung der Betroffenen gehen. Dafür müssen die Politik sowie die Gesellschaft erkennen, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Bedürfnisse und Berechtigungen haben wie wir.