Versuche für den fruchtigen Genuss auf dem Schürhof

Marienkäfer jagen Blattläuse – das machen sich lokale Obstbauern nun zunutze. Auf dem Schürhof in Aesch werden aber auch andere Massnahmen getestet.

Obstplantage in Netz eingepackt: Paul Nussbaumer testet verschiedene Schutzmassnahmen. Fotos: Bea Asper

Obstplantage in Netz eingepackt: Paul Nussbaumer testet verschiedene Schutzmassnahmen. Fotos: Bea Asper

Verhindert das Wachstum: Die Blattlaus entzieht der Pflanze den Zuckersaft.

Verhindert das Wachstum: Die Blattlaus entzieht der Pflanze den Zuckersaft.

Hinter dem Genuss der Baselbieter Kirsche steckt eine ganze Wissenschaft. Verschiedene Versuche spielen sich in den Plantagen der Biobauern Paul Nussbaumer vom Schürhof in Aesch und Marcel Itin in Ormalingen ab. Derzeit wird zum Beispiel untersucht, ob sich der einheimische Vier-Punkt-Marienkäfer effizient zur Blattlausbekämpfung einsetzen lässt.

Ausgewachsene Zwei-Punkt-Marienkäfer sowie ihre Larven sind für private Gartenbesitzer in der Schweiz problemlos erhältlich. Für eine Freisetzung des Vier-Punkt-Marienkäfers in der Landwirtschaft ist jedoch eine behördliche Bewilligung erforderlich, bestätigt Franco Weibel vom landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain. Der Projektpartner Agroline in Aesch und er hatten vom Bun­desamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sowie vom Forschungs­institut für biologischen Landbau (FiBL) die Bewilligung erhalten und daraufhin 500 Marienkäfer bestellt.

«Es gibt in der Schweiz verschiedene Anbieter, die Nützlinge im Labor züchten und verkaufen. Für den Erhalt einer grösseren Anzahl an Vier-Punkt-Marienkäfer mussten wir jedoch auf einen Anbieter aus Italien zurückgreifen», sagt Weibel und betont, dass es sich beim Vier-Punkt-Marienkäfer um eine einheimische Art handelt, die man eher an Waldrändern und in Hecken als in Obstanlagen antreffe. «Die Freisetzung erfolgte in extra dafür entwickelten ‹Frühblüher-Kisten› mit insgesamt 17 früh in der Saison blühenden einheimischen Pflanzenarten.» Diese bieten den Marienkäfern, aber auch anderen Nützlingen den ersten Unterschlupf und die erste Nahrungsquelle mit Blütenpollen und Nektar.

Der Vier-Punkt-Marienkäfer ist etwas kleiner und kugeliger als der bekannte rote, ist glänzend schwarz und trägt vier leuchtend rote Punkte auf dem Rücken. Er sei kälterobust und schon früh im Jahr aktiv, während die «gewöhnlichen» Marienkäfer erst im späteren Frühjahr die Blattläuse jagen. Da die Steinobstbäume wie die Kirsche und die Zwetschge – gerade in diesem Jahr – sehr früh in die Blüte kämen und damit auch die Blattläuse schon früh Schaden anrichteten, untersuche man in diesem Versuch auf den zwei Betrieben, ob eine natürliche Regulierung der Blattläuse mit dem Vier-Punkt-Käfer erfolgreicher sei, erklärt Weibel. «Ob es klappt, werden wir in ein paar Monaten wissen.»

Schädling zapft Bäume an

Das erklärte Ziel ist eine effiziente Schädlingsbekämpfung mit weniger oder sogar gar keinem Einsatz von Blattlausinsektiziden. Nach Ansicht von Weibel wäre der Einsatz dieser Marienkäfer genauso auch in der konventionellen Landwirtschaft interessant. Denn auch dort sei die Blattlausbekämpfung nicht einfach, zumal immer weniger Wirkstoffe zugelassen seien.

Der Schaden, den Blattläuse anrichten, sei insbesondere für junge Bäume verheerend. «Der Schädling setzt seinen Rüssel in der ‹Arterie› des Baumes an, entzieht der Pflanze den Zuckersaft und verhindert das Wachstum neuer Blätter, Triebe und sogar von Blütenknospen für das kommende Jahr.»

Die Blattlaus ist aber bei weitem nicht das einzige Problem für Kirschenproduzenten. Grosse Schäden richten auch Mäuse an. Sie entrinden die Wurzeln der Bäume und vermiesen damit nicht nur die Ernte, sondern zerstören den Baumbestand. «Wir jagen die Mäuse, indem wir in ihren Gängen Fallen auslegen», ist von Nussbaumer zu erfahren.

Biodiversität gefördert

Gegen den Hagel sowie gegen Befall mit der seit 2014 aus Asien eingeschleppten und sehr schädlichen Kirschessigfliege hat er seine Plantagen in fein gewobene Netze eingepackt. Im Innern der Plantage wird wiederum die Biodiversität – insbesondere von für den Obstbau nützlichen Arten – gefördert mit verschiedenen Methoden der biologischen Unterwuchsbewirtschaftung, ebenfalls ein Versuch von Franco Weibel zusammen mit dem Insektenforschungsinstitut Cabi in Delémont.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die mechanische Regulierung des Unterwuchses. Allzu dichter Bewuchs der Baumstreifen hindert den Baum und seine Früchte in der Entwicklung, weil er dem Boden Nährstoffe und Wasser entzieht. Die konventionelle Landwirtschaft setzt dafür Herbizide ein. Zeigen die Verfahren in diesem nun zweijährigen Versuch interessante Resultate, wären auch diese gut übertragbar auf konventionelle Betriebe. Biobauer Nussbaumer freut sich jedenfalls über die bisher schon recht vielversprechenden Resultate und zeigt sich zuversichtlich, dass man sich auf einen Sommer mit einem fruchtigen Genuss aus der Heimat freuen kann.

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