Referendum: Tempo 30 ist noch nicht vom Tisch
Premiere fürs Baselbiet: In Pfeffingen wird das Referendum gegen einen Nein-Beschluss der Gemeindeversammlung ergriffen.
Tempo 30 ist an sich schon ein emotionales Thema. Zusätzlichen Zündstoff hat es erhalten, seitdem die Autoverbände im Baselbiet die Frage aufgeworfen haben, wer die Massnahme beschliessen darf. So hat sich der Landrat dafür ausgesprochen, dass die Gemeinderäte nicht auf eigene Faust beim Kanton beantragen können, dass auf ihrer Ortsdurchfahrt Tempo 30 gelten soll. Es brauche dazu einen Beschluss der Gemeindeversammlung oder des Einwohnerrats. Dasselbe fordert eine kantonale Volksinitiative des TCS. Autofreundliche Kreise möchten also mit mehr Demokratie die Hürden erhöhen, bevor Tempo 30 eingeführt wird.
Jetzt ist in Pfeffingen die Situation allerdings umgekehrt: Ein Mehr an Demokratie führt dazu, dass dort Tempo 30 nicht vom Tisch ist. Das hat mit einer Neuerung im Baselbieter Gemeindegesetz zu tun, welche die demokratischen Volksrechte stärken soll. Seit dem 1. Juli 2023 kann man gegen ablehnende Beschlüsse einer Gemeindeversammlung das Referendum ergreifen. In Pfeffingen kommt diese Regelung jetzt erstmals im Baselbiet zur Anwendung. Die Gemeindeversammlung hatte im Juni die Einführung von Tempo 30 auf Quartierstrassen abgelehnt. Der Entscheid fiel nach längerer Diskussion sehr knapp aus – mit 123 zu 115 Stimmen bei 13 Enthaltungen. Bald wurde das Referendum angekündet, so wie das Gemeindegesetz es neu zulässt.
Das Referendum ist inzwischen zustande gekommen, wie Marco Agostini erklärt. Er ist Landrat, Präsident der Grünen Aesch-Pfeffingen und am Referendum beteiligt. «Wir werden die Unterschriften nächste Woche einreichen», sagt er. In Pfeffingen muss für das Zustandekommen eines Referendums ein Zehntel der etwas über 1600 Stimmberechtigten unterschreiben. Laut Agostini war das nicht schwierig.
Nun kann die Bevölkerung in aller Ruhe darüber abstimmen
Für ihn hat es einen Vorteil, eine Abstimmung über den ablehnenden Tempo-30-Entscheid erzwingen zu können. «An Gemeindeversammlungen verlaufen die Diskussionen oft emotional», sagt er. Kleine, nicht bedeutsame Argumente würden oft aufgebauscht, und dann heisse es rasch mal: «Das brauchen wir nicht.» Deshalb gebe es bei umstrittenen Entscheiden eher ein Nein. «Jetzt hingegen kann sich die Bevölkerung die Sache in aller Ruhe daheim anschauen und sachlich entscheiden, was sie will», hofft der Grüne. Aus diesem Grund würden Entscheide der Gemeindeversammlung oft im Nachhinein an der Urne gekippt.
Jüngere versus ältere
Personen
Und er gibt zu bedenken: Für Tempo 30 würden sich viele jüngere Familien mit Kindern aussprechen, die Pfeffingen bewusst als ruhigen und sicheren Wohnort gewählt hätten. «An die Gemeindeversammlung hingegen kommen erfahrungsgemäss viele ältere Personen.»
Was in Pfeffingen hinzukommt: Der Gemeinderat hätte der Gemeindeversammlung bei einem Ja auch noch eine zweite Vorlage unterbreitet. Er hätte – obwohl das nicht zwingend gewesen wäre – die Versammlung gefragt, ob er dem Kanton ein Gesuch um Tempo 30 auf der Kantonsstrasse einreichen dürfe. Dieses Geschäft erübrigte sich aber, weil der Kanton auf seinen Strassen nur dann das Tempo senkt, wenn die Gemeinde dies bereits in den umliegenden Quartierstrassen getan hat.
«Viele an der Gemeindeversammlung waren an sich für Tempo 30 auf Quartierstrassen, stimmten aber Nein, weil sie befürchteten, dass dann auch grad die Kantonsstrasse dran wäre», sagt Agostini. Für ihn ist klar: Beim Referendum, das er und andere Stimmberechtigte jetzt ergriffen haben, geht es nur um die Quartierstrassen. «Falls das Volk sehr deutlich, mit 70 oder 80 Prozent, Ja sagt, kann man allenfalls in ein paar Jahren wieder über die Kantonsstrasse reden.»