Erzbischof von Riga übt Zivilisationskritik

Erzbischof Zbignevs Stankevics – im Jahr 2011 Mann des Jahres in Lettland – hielt am Samstag die Messe in der St. Joseph-Kirche. Das «Wochenblatt» sprach mit dem sympathischen Theologen und Seelsorger.

Klare Linie, zivilisationskritisch, offen fürs Gespräch: Erzbischof Zbignevs Stankevics. Foto: Thomas Brunnschweiler
Klare Linie, zivilisationskritisch, offen fürs Gespräch: Erzbischof Zbignevs Stankevics. Foto: Thomas Brunnschweiler

Wochenblatt: Ihre Exzellenz, mit rund 20 Prozent der Bevölkerung Lettlands stellen die Katholiken eine Minderheit dar. Wie halten Sie es mit der Ökumene?
Erzbischof Stankevics: Wir pflegen sehr gute Beziehungen zu allen Christen. Die Lutheraner sind unsere Freunde. Sie machen zahlenmässig die grösste Konfessionsgruppe aus. An Stelle drei stehen die Orthodoxen und Altorthodoxen. Danach folgen die Baptisten, Adventisten und Methodisten. Es gibt auch mehrere pfingstliche Freikirchen. Mit den 9000 Juden (ca. 4,7 Promille der Bevölkerung) haben wir gute Beziehungen. Mit einem gemeinsamen Brief an den Ministerpräsidenten und das Parlament konnten wir die Ratifizierung der ideologischen Istanbul-Konvention stoppen. Wir verfolgen das Konzept, die Familie zu stärken, befürworten aber auch ein neues Gesetz für den «Gemeinsamen Haushalt» («common household»), das für Lesben und Homosexuelle sowie andere Personen bestimmt ist.

Lettland grenzt im Osten an Russland und Belarus. Das Land ist strategisch wie politisch exponiert. Kann sich die Kirche bei den Problemen, die sich daraus ergeben, engagieren?
Bezüglich der Flüchtlinge ist zu sagen, dass wir weniger hatten als Litauen. Aber wie ich gerade lese (blickt aufs Handy), sind gerade heute 38 aus dem Irak Geflüchtete nach Lettland aufgebrochen. Die EU teilte uns ein Kontingent von 500 Flüchtlingen zu, aber wir hatten bisher nur 100. Und diese gingen alle nach Deutschland. Die Katholiken könnten sich um geflüchtete Brüder und Schwestern kümmern, doch die EU sieht darin eine Diskriminierung anderer Gruppen. Wir sind eine arme Kirche mit nur 150 Priestern. Wir haben keine Ressourcen für internationale Aktionen.

In Ihrem Wappen sind die goldene Taube als Symbol für den Heiligen Geist und das Monogramm für Terra Mariana – Marienland – zu sehen. Wie ist das zu verstehen?
Papst Innozenz III. verlieh Lettland und Estland den Titel «Terra Mariana» und stellte das Gebiet unter den ausdrücklichen Schutz Mariens. Ich möchte das transformieren in ein Opfer für Gott. Das Ziel ist die geistliche Wiedergeburt Lettlands. Die europäische Zivilisation ist im Stadium der Dekadenz. Dazu gehört die Zerstörung der Familie und der Identität von Mann und Frau. Mann und Frau sind gleichwertig, aber die Frau hat eine andere Mission. Es sollte um Kooperation und nicht um Konkurrenz gehen. Erste Priorität hat die Menschenwürde, auch für Ungeborene. Es geht um eine Ökologie des Herzens und des menschlichen Lebens. Wir lieben Europa, aber ich sehe auch totalitäre Tendenzen. Nach der Nazi- und kommunistischen Diktatur kann sich rasch eine dritte totalitäre ideologische Herrschaft bilden, die wir verhindern müssen.

Sie haben über den Theologen Bernhard Welte dissertiert. Welchen Einfluss hatte er auf Sie?
Welte war für mich eine Überraschung. Er ist sehr universell, wie eine Biene, die bei jeder Blume Nektar sammelt. Er schafft eine Synthese für die Verkündigung. Mich faszinieren seine Universalität und seine Offenheit für alle Gedanken.

Wie müsste eine Kirche aussehen, die wieder attraktiv ist?
Ich muss vor allem eine personale Beziehung zu Gott haben. Ich erkläre meine Überzeugungen durch die Medien, in Interviews und in Referaten.
Herr Erzbischof, vielen Dank für das Gespräch.

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