«Ein neues Phänomen»: Anfeindungen und Aggressionen im Wald

Der Wald erlebt einen Ansturm. Verschiedene Anspruchshaltungen führen zu unschönen Auseinandersetzungen.

Sorgt für einen sicheren und gesunden Wald: Revierförster Christian Becker vor einem Stamm, der ursprünglich für die Holzwirtschaft gedacht gewesen wäre und jetzt den Wildbienen als Quartier dient. Foto: Bea Asper

Sorgt für einen sicheren und gesunden Wald: Revierförster Christian Becker vor einem Stamm, der ursprünglich für die Holzwirtschaft gedacht gewesen wäre und jetzt den Wildbienen als Quartier dient. Foto: Bea Asper

Angepasst: Trotz Besucherandrang gibt es im Wald deutlich mehr Rehe. Foto: Pixabay.com

Angepasst: Trotz Besucherandrang gibt es im Wald deutlich mehr Rehe. Foto: Pixabay.com

Seit der Schliessung der Restaurants, der Kultur- und Freizeitangebote und dem Verbot für Vereinsaktivitäten suchen die Menschen Erholung und Abwechslung in der Natur und im Wald. Für die Förster kam der Menschenansturm zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Denn in den Wintermonaten stehen im Wald Holzfällarbeiten im Vordergrund. «Die Waldbesucher erleben dann temporär Zugangsbeschränkungen», erklärt Christian Becker, Revierförster des Forstreviers Angenstein. Dabei kam es zu einem Ausmass an verbalen Auseinandersetzungen und Vorfällen, welche die Förster bisher nicht kannten. «Ein neues Phänomen», meint Becker, der seit 35 Jahren im Dienst des Waldes steht und die Natur mit jedem Tag noch mehr zu schätzen weiss – gerade in dieser schwierigen Zeit.

«Wenn ein Jogger ausrastet und uns beschimpft, nur weil er fünf Minuten warten muss, bis der Weg wieder freigegeben wird, liegt die Ursache ja wahrscheinlich nicht bei den Förstern. Deswegen spielen wir auch nicht das Ventil, sondern müssen halt in gröberen Fällen bei der Polizei Strafanzeige erstatten.» Die Waldbesucher müssten bei ihrer Anspruchshaltung auf freien Zugang zum Wald berücksichtigen, dass der Wald nicht ein Erholungspark sei, sondern ganz andere Zwecke erfülle, betont Becker. «Die Wege zum Beispiel gehören in den meisten Fällen den Waldbesitzern und sind die Erschliessung für die Waldbewirtschaftung und die Waldpflege.» Deswegen seien Anfeindungen an Personen, die im Wald ihre Arbeiten verrichten, fehl am Platz – auch wenn es zum Beispiel den Weg des Vita Parcours betrifft. Dessen Geräte würden zwar vom Turnverein unterhalten. «Es sind aber weder der Verein noch die Einwohnergemeinde, die sich darum kümmern, dass den Menschen kein dürrer Ast auf den Kopf fällt, sondern die Mitarbeitenden des Forstreviers», gibt Becker zu bedenken und erinnert daran, dass das Forstrevier Angenstein sich immer dafür einsetzte, den Wald offen zugänglich zu lassen, während sich andere Gebiete für Zugangsverbote entschieden (Beispiel Hardwald Basel/Muttenz).

«Was ist einem der Wald wert?»

Mit dem zunehmenden Menschenansturm habe der Sicherheitsaspekt weiter an Brisanz gewonnen. «Je mehr Menschen sich im Wald aufhalten, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein herunterfallender Ast jemanden verletzen könnte.» Ganz ausschliessen könne man das nie: «In der Natur gibt es keine Sicherheitsgarantie.» Gerade im Bereich von Rastplätzen habe das Forstrevier Angenstein viel investiert in die Sicherheitsholzerei. Dies müsste zu einer Bewusstseinsveränderung führen, wünscht sich Becker. Die nachhaltige Pflege des Waldes sowie Naturschutzmassnahmen kommen der Allgemeinheit zugute. Ein Umdenken sollte nicht nur auf Bundes- und Kantonsebene stattfinden, sondern auch bei den Einwohnergemeinden. «Was ist einem der Wald wert?», fragt Becker. Der Preis, den die Einwohnergemeinden derzeit für den Wald als Naherholungsraum bezahlen, liegt bei den meisten unter einem Franken pro Monat und Einwohner. «Auf meine Frage, ob ihnen der Wald im Monat so viel wert wäre, wie sie für einen Kaffee bezahlen, antworten mir alle immer mit einem ‹Ja, klar.› Dann wären wir bei einem Beitrag von 3.60 Franken pro Monat und Einwohner.»

Auf die Frage, wie die Natur- und Tierwelt auf den Ansturm der Menschen reagiert, sagt Becker, dass er bei den Wildtieren eine Anpassung feststelle. «So viele Rehe wie in diesem Jahr hatten wir noch nie.» Sorgen macht er sich um Vögel und Kriechtiere. «Ihr Vorkommen ist mit den zunehmenden Aufenthalten der Menschen (vor allem mit Hunden) gefährdet.» Auch diesbezüglich seien kreative Lösungen und Finanzierungen gefragt, wie man Naturschutz fördern und Freizeitaktivitäten zulassen könne.

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