Die Strategie heisst Solidarität
Aesch diskutiert mit dem früheren Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge, Peter Arbenz, Strategien zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Bea Asper
Eine Million Flüchtlinge seien es in Europa, Hunderttausende in Deutschland, 190 000 in Schweden. Etwa 24 000 Asylbewerber seien in der Schweiz angekommen, diese Zahl werde möglicherweise in den nächsten Monaten auf 35 000 ansteigen, beantwortete Peter Arbenz, der frühere Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge und heutige Berater für Strategieentwicklung, Fragen aus dem Publikum. Die Gewerbetreibenden und die interessierte Bevölkerung von Aesch war am Montagabend von der Gemeinde eingeladen zum Referat: «Strategien zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise.» Der Gemeinderat von Aesch hatte dem Kanton in der Frage der Unterkunft für Flüchtlinge Unterstützung zugesagt und offene Türen eingerannt. «Die Bundesstelle war erleichtert, in Aesch in der Zivilschutzunterkunft im Untergeschoss der Mehrzweckhalle ein Zentrum einrichten zu können im Bereich Erstaufnahmen», führt Gemeindepräsidentin Marianne Hollinger gegenüber dem «Wochenblatt» aus. Bisher habe die Bevölkerung mehrheitlich das Zeichen der Solidarität unterstützt mit spontaner Hilfsbereitschaft und Spenden von Kleidern und Spielsachen. «Mit dem Zugang zur Turnhalle zum Spielen versuchen wir, den Flüchtlingskindern eine Freude zu machen», beschreibt Hollinger das Engagement Aeschs für mehr Menschlichkeit. Die Gemeinde erreiche dadurch aber auch eine Entlastung für sich, denn mit dem Durchgangszentrum komme sie ihrer Pflicht nach, Flüchtlinge aufzunehmen, ohne für diese jeweils separate Unterkünfte auftreiben zu müssen.
Einigkeit in Europa die Voraussetzung
Was sind die Ursachen für die Flüchtlingsströme? Wird sich die Situation verschärfen? Wie geht Europa, wie geht die Schweiz, wie geht der Kanton mit den Krisen um? Welche Asylgesetzgebung braucht es? Diesen Fragen ging Arbenz in seinem Referat auf den Grund und lieferte den Aeschern fundierte Antworten und Ideen, wo die Staaten ansetzen sollten. Der wichtigste Grundsatz sei wohl die Solidarität, ein Problem dieser Tragweite lasse sich nur in einem gemeinsamen Vorgehen entschärfen, wobei eine Harmonisierung der Asylgesetze wegweisend sei, ebenso eine besser kontrollierte Aussengrenze der EU sowie europaweit die Vernetzung, sodass ein abgewiesenes Asylgesuch im Nachbarstaat auch ein Nichteintrittsentscheid darstelle, erklärte der Referent aus Winterthur. Die Erfahrung zeige, dass etwa 40 Prozent der Antragssteller eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung zugesprochen erhielten. Viele der Menschen, die auf der Flucht seien, bräuchten wirklich Schutz.
Eine Chance auch für das Gewerbe
Arbenz sieht in der Aufnahme der Flüchtlinge – sofern die Integration gelingt – gerade für das Gewerbe eine Chance. Dafür brauche es allerdings das Zutun der Bevölkerung. «Die besten Integrationsmassnahmen sind nebst dem Spracherwerb die Kontakte am Arbeitsplatz und in Freizeitbeschäftigungen», gab Arbenz zu bedenken und sagte mit Blick in die Zuschauerrunde: «Blättert man in den Familienbüchlein von Schweizern, wird man viele finden mit Migrationshintergrund. Meine Familie zum Beispiel hat Wurzeln in Italien.» Die weit verbreitete Befürchtung, dass sich die ankommenden Moslems gar nicht integrieren wollten, teilte Arbenz in der Diskussion nicht. «Da wird vieles anders dargestellt, als es die Wirklichkeit zeigt.»
Aufgrund des prominenten Referenten hatte die Gemeinde auch die Bevölkerung eingeladen, sich dem Apéro für das Gewerbe anzuschliessen. Mit rassigen Klängen aus den US-Südstaaten hatte die Band «Crawbone Zydeco» den Anlass eröffnet.