«Die Situation im Asylbereich ist nach wie vor angespannt»
In der Zivilschutzanlage in Aesch sind seit Anfang Jahr rund 90 Flüchtlinge untergebracht. Die Gemeinde hat die Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Migration nun verlängert. Einigen Aeschern passt das nicht.
Anfang Oktober wurde vor dem Denner in Aesch ein 28-jähriger Algerier mit schweren Kopfverletzungen aufgefunden. Kurz darauf folgte auf der Social-Media-Plattform Facebook eine hitzige Diskussion mit über 100 Kommentaren – die Asylsuchenden hätten sich sicher gegenseitig verletzt, liest man dort. «Das sind die Auswirkungen der neuen Willkommenskultur in Europa, leider» oder «Das ist doch alles nicht mehr normal, was alles passiert» sind Beispiele der Voten, die mal Beifall, mal harte Kritik ernten. Was vor dem Denner genau vorgefallen ist, sei noch immer Gegenstand von Ermittlungen, schreibt die Polizei Basel-Landschaft auf Nachfrage des Wochenblattes. Was allerdings anhand der Debatte klar wird: Einige Aescherinnen und Aescher fühlen sich gestört und teilweise bedroht durch die Anwesenheit von Asylsuchenden. Ist der Zorn auf Social Media denn auch im realen Leben zu spüren? «Nein», sagt Gemeinderätin Monika Fanti (Die Mitte), zuständig für den Bereich «Soziales», dem auch das Asylwesen angegliedert ist, im Gespräch mit dem Wochenblatt.
Der Gemeinderat habe noch keine negativen Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten, im Gegenteil: «Der Grossteil der Bevölkerung steht hinter dem Entscheid des Gemeinderates, die ALST für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Es sind immer etwa die gleichen Personen, die sich lautstark äussern – was auch ihr gutes Recht ist. Den Gemeinderat konfrontiert hat bisher aber noch niemand von ihnen.»
Auch beim Staatssekretariat für Migration (SEM) sei diesbezüglich noch keine Meldung eingegangen, schreibt Daniel Bach, Leiter Stabsbereich Information und Kommunikation beim SEM auf Nachfrage vom Wochenblatt. «Die Anwohnenden können sich mit ihren Sorgen und Anliegen gerne bei der Begleitgruppe oder bei unserer Hotline melden.» Das Angebot wird bisher nur spärlich genutzt, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt: Seit deren Eröffnung hat das SEM insgesamt acht Anrufe aus verschiedenen Gemeinden verzeichnet.
Sie könne verstehen, dass sich die Menschen in Aesch Sorgen machen, sagt Monika Fanti. Aber: «Es gibt eigentlich keinen Grund, denn es passiert ja eigentlich nichts. Sollten sich Menschen verunsichert fühlen, so können sie sich jederzeit auf der Gemeinde melden oder die Hotline nutzen.»
Um die Sicherheit zu gewährleisten, patrouilliere rund um die Armeeunterkunft (ALST), aber auch im Dorf ein Sicherheitsdienst, erklärt Fanti. Zudem herrsche eine Ausgangssperre ab 20 Uhr, die grundsätzlich eingehalten werde, bestätigt das SEM: «Dort, wo sie nicht eingehalten wird, kann es in begründeten Fällen zu Sanktionen kommen.»
Ein bis zwei Auseinandersetzungen pro Monat
93 Personen, vornehmlich junge Männer aus Afghanistan, Algerien und Marokko, halten sich in der ALST auf. Sie bleiben zur weiteren Abklärung während maximal 90 Tagen in Aesch. Es bestehe ein fakultatives Beschäftigungsangebot, schreibt das SEM. Fanti sagt, morgens seien alle Flüchtlinge verpflichtet, an Kursen teilzunehmen. Die Angebote am Nachmittag seien freiwillig. Eine Zunahme von Konflikten seit der Inbetriebnahme der ALST hätte der Gemeinderat nicht feststellen können.
Das SEM nennt eine konkrete Zahl von gewalttätigen Konflikten bei der ALST auf dem Löhrenacker: «Der Monatsdurchschnitt liegt bei ein bis zwei Auseinandersetzungen.» Der verletzte Mann vor dem Denner, dessen Fall auf Facebook zur Kommentarschlacht führte, sei nicht in der ALST untergebracht, stellt Fanti klar.
Gemeinde ist verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen
Vergangene Woche hat die Gemeinde angekündigt, den Vertrag mit dem SEM für das kommende Jahr zu verlängern. Zudem würden für jene Flüchtlinge, die derzeit in der ALST untergebracht werden, neu Container aufgestellt. «Die ALST ist unterirdisch, Tageslicht gibt es nicht. Die Asylsuchenden brauchen aber Aufenthaltsräume, in denen sie auch bei kalten Temperaturen ans Tageslicht kommen», erklärt Fanti den Schritt. «Die Situation im Asylbereich ist nach wie vor sehr angespannt. Wir sind verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen passende Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Das ist nichts Neues.»
Seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges ist Quote der Flüchtlinge, die den Gemeinden zugewiesen werden, vom Kanton von einem Prozent der Bevölkerung auf 2,6 Prozent angehoben worden. «Diese Menschen müssen irgendwo unterkommen.» Der grösste Teil der Asylbewerber sei indes in gemeindeeigenen Liegenschaften untergebracht und lebe nicht in der ALST, stellt Fanti klar.
Auch wenn einige ihrem Ärger auf Social Media Luft machen: Die Solidarität in der Bevölkerung sei gross, meint Fanti. Viele Freiwillige würden sich für die Flüchtlinge engagieren. So sei zum Beispiel ein Spendenraum eingerichtet worden, in dem Asylsuchende, aber auch Sozialhilfeempfänger, Kleider und andere Dinge kostenlos abholen könnten. Die Gemeinderätin möchte diese Angebote noch weiterausbauen: «Gerade erst habe ich von einer kleinen Gemeinde im Jura gelesen, in der Freiwillige mit den Asylsuchenden Gemüsebeete bewirtschaftet. So können sie ihr eigenes Gemüse ernten und gehen gleichzeitig einer sinnvollen Beschäftigung nach. So etwas könnte ich mir für Aesch gut vorstellen.»