Die Frage nach der gemeinsamen Mentalität von Stadt und Landschaft
Befürworter und Gegner eines Verfassungsrates für eine Kantonsfusion diskutierten in Aesch über Möglichkeiten einer Fusion oder einer engeren Zusammenarbeit.
Tobias Gfeller
Ganz zum Ende, nach knapp zwei Stunden Diskussion, brachte die Biel-Benkener CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter einen aussergewöhnlichen Vergleich: «Man muss sich eine Kantonsfusion wie ein Olivenbaum vorstellen. Auch diesen muss man jahrelang hegen und pflegen. Wer bereits im ersten Jahr Oliven pflücken will, muss erst gar keinen Olivenbaum pflanzen. Genau so viel Pflege und Zeit bräuchte die Kantonsfusion, um ihre Wirkung zu entfalten.»
Elisabeth Schneider-Schneiter ist das Baselbieter Gesicht der Fusionskampagne. Zusammen mit der Liestaler SP-Stadträtin und Baselbieter Regierungsratskandidatin Regula Nebiker setzte sie sich am Fusionspodium der SP Aesch-Pfeffingen am Dienstagabend im Schloss-Chäller mit Vehemenz für ein Ja zum Gegenvorschlag am 28. September zur Erstellung eines Verfassungsrates für eine mögliche Kantonsfusion ein. Die Region Basel würde durch eine Fusion zu einer der meist prosperierenden Regionen der Schweiz. «Dies ergebe zum Beispiel mehr Geld aus Bern für regionale Verkehrsprojekte», so Schneider-Schneiter.
SVP-Landrätin Myrta Stohler glaubt als langjährige Gemeindepräsidentin in Diegten, dass die ländlicheren Gebiete im neuen Kanton von der Stadt Basel und der Umgebung noch mehr an den Rand gedrängt würden. Der Sissacher FDP-Landrat Marco Born ist gar überzeugt, dass bei einer Einsetzung eines Verfassungsrats grössere Projekte im Baselbiet blockiert würden. Zudem gab er Elisabeth Schneider-Schneiter zu bedenken, dass aufgrund unterschiedlicher Meinungen der Parteien die Region nie mit einer Stimme sprechen werde.
Mehr Autonomie für die Gemeinden
Die CVP-Nationalrätin nannte mehrere Gründe für die Notwendigkeit einer Kantonsfusion. So würde unter anderem die Wirtschaft sehr profitieren. «Die Wirtschaft kennt keine Grenzen», betonte Elisabeth Schneider-Schneiter. Dieser Aussage widersprach Myrta Stohler heftig: «Der Wirtschaft ist es egal, ob wir ein oder zwei Kantone sind!» Sie schätze die Eigenständigkeit des Baselbiets. «Genauso wichtig ist die Autonomie der Gemeinden», betonte die SVP-Frau. In diesem Punkt stimmte die Fusionsbefürworterin Schneider-Schneiter für einmal zu. «Man muss die neue Verfassung so gestalten, dass die Gemeinden eine möglichst grosse Autonomie haben.»
Regula Nebiker, der gemäss eigenen Angaben der Kanton Basel-Landschaft sehr am Herzen liegt, hofft durch eine Fusion aus der seit über zehn Jahren andauernden Stagnation herauszukommen. Sie glaube auch nicht, dass die beiden Kantone zu unterschiedlich sind und sich die Baselbieter zu sehr verändern müssten. «Ich denke sogar, dass die Stadt den grösseren Anpassungsprozess machen muss als das Land.» Marco Born sieht keine Anpassungsmöglichkeit der beiden Halbkantone. «Es gibt gewisse Unterschiede. Und diese werden bei einer Fusion nicht auf einmal weg sein.» Myrta Stohler fand sogar, dass «die Laufentaler noch heute keine richtigen Baselbieter sind». Dies sorgte für ein Raunen im Keller.
Gesundheitssektor profitiert
Das Argument der unterschiedlichen Mentalitäten wurde aus dem Publikum infrage gestellt. «Wir sind nicht so unterschiedlich, wie Sie sagen», entgegnete der Aescher Armin Hauser dem Votum von Marco Born. Hauser warf den Oberbaselbietern, die in Basel arbeiten, vor, den Batzen und das Weggli zu nehmen, in dem sie zu Hause auf dem Land die Ruhe geniessen und in der Stadt ihr Geld verdienen. Eine Zuhörerin fragte nach Visionen, wie etwa die explodierenden Gesundheitskosten in den Griff zu kriegen sind. Eine konkrete Antwort wusste niemand.
Elisabeth Schneider-Schneiter zitierte – wie so oft an diesem Abend – aus einer Studie, die am gleichen Morgen erschien. «Der Gesundheitssektor ist sicher jener Bereich, der von einer Fusion am meisten profitieren würde.» Immer wieder hob die CVP-Nationalrätin, die sehr selbstbewusst und eloquent auftrat, hervor, wie wichtig es sei, sich nach innen in der Region zu vernetzen, um nach aussen stark aufzutreten.