«Die Finanzlage wird angespannt bleiben»

Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) spricht am Pfeffinger Forum am 24. August über die Situation der Bundesfinanzen. Im Interview mit dem Wochenblatt erklärt die Finanzministerin die Folgen der Milliardenausgaben während Corona und wie sie zukünftig wieder sparen will.

«Das Pfeffinger Forum ist für mich eine Schweiz im Kleinen»: Karin Keller-Sutter 
spricht im Interview auch über ihren Besuch in Pfeffingen.Foto: ZVG / Joel Hunn
«Das Pfeffinger Forum ist für mich eine Schweiz im Kleinen»: Karin Keller-Sutter spricht im Interview auch über ihren Besuch in Pfeffingen.Foto: zVg/Joel Hunn

Frau Bundesrätin, das Thema des diesjährigen Pfeffinger Forum lautet «Öffentliche Finanzen im Griff?». Wie behalten wir die öffentlichen Finanzen nach den Milliardenausgaben während der Coronapandemie im Griff?

Karin Keller-Sutter: In der Coronapandemie hat der Bund tatsächlich enorm hohe Ausgaben von rund 30 Milliarden Franken getätigt. Die flexible Ausgestaltung der Schuldenbremse liess dies zu. Die angehäuften Schulden müssen wir aber wieder abbauen. Fast wichtiger aber noch: Die Pandemie hat das Verhältnis der Politik zu Staatsausgaben verändert. Heute ist es nicht mehr aussergewöhnlich, sofort neue Ausgaben von mehreren 100 Millionen zu fordern – vor Corona sass das Portemonnaie deutlich weniger locker. Hinzu kommt, dass sich der Bund in Gebieten engagieren soll, für die eigentlich die Kantone zuständig sind, zum Beispiel bei der Kita-Finanzierung. Das sind Tendenzen, die mir Sorge bereiten.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Bundesfinanzen?

Es ist dem Bundesrat gelungen, ein Budget 2024 zu verabschieden, das die Vorgaben der Schuldenbremse knapp einhält. Das ist die gute Nachricht. Richtig gespart hat der Bund aber nicht, er hat primär das Ausgabenwachstum etwas gedämpft. Die Ausgaben wachsen 2024 trotz Bereinigungsmassnahmen um 4,1 Prozent. Es wird also noch mehr Massnahmen brauchen, denn bereits in den Folgejahren zeigt der Finanzplan strukturelle Defizite. Besonders herausfordernd sind die Finanzierung der höheren Armeeausgaben, um ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu erreichen, sowie die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt. Diese machen rund einen Drittel der Bundesausgaben aus und wachsen ebenfalls überproportional. Zudem verbleiben auch kurzfristig grosse mögliche Zusatzbelastungen, etwa, wenn der Krieg in der Ukraine weiter andauert. Die Finanzlage wird also auch in den nächsten Jahren angespannt bleiben.

Sie warnen regelmässig vor zu hohen Ausgaben und dass jetzt Sparen angesagt ist. Wie wollen Sie das ausgabenfreudige Bundesparlament von dieser Devise überzeugen?

Die Budgethoheit liegt beim Parlament. Auch das Parlament muss sich aber an die Schuldenbremse halten. Die Schuldenbremse ist ein wichtiges Instrument, das in der Verfassung verankert ist. Der Bundesrat wird sein Augenmerk darauf legen, den finanzpolitischen Spielraum für die Bewältigung künftiger Herausforderungen zu verbessern. Das ist sicher auch im Sinne des Parlaments. So kann es wieder mehr gestalten und muss sich nicht fortlaufend mit Entlastungsmassnahmen beschäftigen.

Wie verhindern Sie, dass vor lauter Sparen ein Investitionsstau entsteht und zu wenig in die öffentliche Infrastruktur und in den Sozialstaat investiert wird? Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario, vor dem gerade linke Parteien warnen?

In den Jahren vor der Coronapandemie hatten wir eine Luxussituation: Wir konnten nicht nur die Schulden abbauen, sondern gleichzeitig die Ausgaben auch stark erhöhen. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat die Schweiz in den vergangenen Jahren ihre Investitionen nicht vernachlässigt, sondern viel investiert: in die Strasse, in die Schiene und in die Bildung. Von einem Investitionsstau ist die Schweiz also weit entfernt. Es ist nun aber wichtig, die Ausgaben kritisch zu hinterfragen und Prioritäten zu setzen. Es sei denn, man will die Steuern deutlich erhöhen. Das wäre in meinen Augen aber der falsche Weg.

Jedes Jahr kommt ein Mitglied des Bundesrats als Hauptgast ans Pfeffinger Forum. Wieso haben Sie die Einladung angenommen und warum geniesst dieser Anlass im beschaulichen Dorf einen solchen Stellenwert – auch in Bundesbern?

Das Pfeffinger Forum ist für mich eine Schweiz im Kleinen: Man trifft sich, man hört sich Argumente an, man diskutiert – sachlich und an Argumenten interessiert. Es ist überparteilich und doch liberal geprägt. Natürlich komme ich gerne an diese Veranstaltung.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Infos zum Anlass: pfeffingerforum.ch

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