Demokratie und Wohlstand befrieden
Am Pfeffinger Forum referierten Exponenten aus Diplomatie, Armee und Medien über die Krisen in Osteuropa und dem Nahen Osten. Dabei wurden sowohl pessimistische als auch optimistische Töne angeschlagen.
Oliver Sterchi
Wunschtraum Frieden» lautete das Thema des diesjährigen Polit-Gipfeltreffens, das am Dienstagabend in der Pfeffinger Mehrtweckhalle stattfand. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen globalen Krisenherde scheint der Frieden tatsächlich ins Reich der Träume zu gehören: In der Ostukraine wird erstmals seit den jugoslawischen Zerfallskriegen wieder auf europäischem Boden Krieg geführt, wobei der Konflikt auch die Beziehungen des Westens zu Russland stark belastet. Der Nahe Osten indes bleibt ein explosives Pulverfass: Ob Syrien, Irak oder seit neustem der Jemen – die Region will einfach nicht zur Ruhe kommen. Warum das so ist, versuchte der renommierte Nah-Ost-Experte Ulrich Tilgner aufzuzeigen.
Er erläuterte in seinem Referat zunächst die historischen Hintergründe der anhaltenden Konflikte in der arabischen Welt. Er verurteilte insbesondere die verschiedenen westlichen Militärinterventionen, allen voran der USA, die allesamt gescheitert seien. Auch der jüngste Luftkrieg der von den Amerikanern geführten Koalition gegen die Stellungen des Islamischen Staats (IS) sei kontraproduktiv, sagte Tilgner. Er würde nämlich unter den Angehörigen der getöteten Kämpfer und Zivilisten zu einer zusätzlichen Radikalisierung führen. Tilgner plädierte dafür, das Terrorismusproblem nicht militärisch zu lösen, sondern sich vor Ort gegen die sozialen und ökonomischen Defizite und für Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit zu engagieren, denn: «Nur wer keine Perspektive im Leben hat, schliesst sich den Terroristen an.»
Eine Statistik: Die Welt wird friedlicher
Der zweite Referent, der ehemalige Schweizer Botschafter Thomas Borer, überraschte die Zuhörer zu Beginn seines Vortrags mit einer zuversichtlich stimmenden Statistik: Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung sei die Welt in den letzten Jahren insgesamt friedlicher geworden, erklärte Borer. Der Unternehmer führte diesen Umstand auf die weltweite Ausbreitung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand zurück. Die Differenz dieser nüchternen Zahlen zur öffentlichen Wahrnehmung resultiere vor allem aus der permanenten Reflektion des Weltgeschehens durch die neuen Medien, sagte der promovierte Jurist. «Dadurch haben wir das Gefühl, dass die Welt unsicherer wird.»
Borer widmete sich im Anschluss dem angespannten Verhältnis des Westens zu Russland. Die Ukrainekrise sei das Resultat eines anhaltenden Missverständnisses zwischen beiden Seiten, sagte der ausgewiesene Russlandkenner: «Der Europäischen Union und den USA fehlen die nötigen Russlandkenntnisse, um das Handeln des Kremls nachzuvollziehen.» Zwar bezeichnete Borer die russische Annexion der Krim als völkerrechtswidrig, betonte aber das verständliche sicherheitspolitische Interesse Moskaus, seine Einflusssphäre gegenüber der NATO zu wahren. Der Botschafter a. D. gab sich überzeugt, dass die Krise in der Ostukraine mittels Dialog und Diplomatie zu einem friedlichen Ende kommen könne.
Der Krieg der Zukunft
Zum Schluss ergriff Armeechef André Blattmann das Wort. Er analysierte in seinem Vortrag die Auswirkungen der globalen Krisenherde auf die Sicherheit der Schweiz. Die Art der Bedrohung habe sich grundsätzlich verändert, referierte Blattmann. Das Szenario eines konventionellen Krieges zwischen zwei oder mehreren Staaten sei unwahrscheinlich geworden. Das Beispiel der Krim habe gezeigt, wie subtil und komplex die moderne Kriegsführung ablaufe, sagte der Korpskommandant. Die Schweiz sei insbesondere durch Cyberattacken auf ihre kritische Infrastruktur bedroht, betonte der Armeechef. Für die Schweizer Armee bedeute dies, eine hohe Bereitschaft aufrechtzuerhalten und über Mittel zu verfügen, um im Notfall intervenieren zu können, so Blattmann, denn: «Wir müssen den Krieg vorbereiten, um den Frieden zu bewahren.»
In der anschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten die Referenten mit Moderator Philipp Hammel neben dem angeblich zunehmenden Weltfrieden auch über das Russlandbild im Westen und die Rolle der Medien in der Kriegsberichterstattung.