Auf Vorrat gekündigt?

Wegen der Totalsanierung ihrer Liegenschaft an der Arlesheimerstrasse verlieren sämtliche 32 Mieter ihre Wohnung. Der Mieterverband wehrt sich nun gegen die Leerkündigung und könnte Erfolg haben.

Sämtlichen Mietern des Wohnblocks an der Arlesheimerstrasse 24 wurde gekündigt: Hauswartin Agnes Gfell und ihr Mann Roland wollen das nicht einfach hinnehmen und wehren sich mit Hilfe des Mieterverbands jetzt juristisch gegen die Leerkündigungen.
Sämtlichen Mietern des Wohnblocks an der Arlesheimerstrasse 24 wurde gekündigt: Hauswartin Agnes Gfell und ihr Mann Roland wollen das nicht einfach hinnehmen und wehren sich mit Hilfe des Mieterverbands jetzt juristisch gegen die Leerkündigungen. Foto: L. Hausendorf

Lukas Hausendorf

Selbst für die Hauswartin des Wohnblocks an der Arlesheimerstrasse 24 kam die Kündigung aus dem Nichts. Wohl wusste Agnes Gfell, dass Sanierungsarbeiten im Haus geplant waren, das sie mit ihrem Mann Roland seit 26 Jahren bewohnt. Es sei auch an der Zeit gewesen. Seit sie eingezogen seien, sei fast nichts gemacht worden, erzählt sie. Und jetzt das. Das 1982 erstellte Hochhaus, das im Besitz der Allianz Suisse Immobilien AG ist, soll im zweiten Halbjahr 2013 total saniert werden. Neben einer umfassenden Innensanierung sämtlicher Wohnungen wird die Liegenschaft auch punkto Erdbebensicherheit aufgerüstet.

 «Die damit verbundenen grossen Eingriffe können nicht im bewohnten Zustand vorgenommen werden, da dies eindeutig unzumutbar wäre», begründet die mit der Hausverwaltung beauftragte Livit ihre Kündigung vom 26. Juni. Bis Ende Juni nächsten Jahres haben die 32 betroffenen Mieter nun Zeit, eine neue Bleibe zu finden. Aber vielleicht kommt es auch anders. Agnes Gfell will die Kündigung nicht einfach so hinnehmen. Sie zweifelt an der Stichhaltigkeit der Argumentation der Allianz Versicherung und vermutet, dass die Kündigung missbräuchlich sei. Gfell ist nun bereit, für ihre Rechte zu kämpfen, so wie es die 50-Jährige immer tat, sei es bei der Arbeit oder wenn der Vermieter sie nicht vom tieferen Referenzzinssatz profitieren lassen wollte.

Leerkünden, Sanieren, Mieten erhöhen

Der Mieterverband Baselland hat sich nun des Falls angenommen und wird die Interessen sämtlicher betroffener Mieter zu schützen versuchen. Ein Unterfangen, das durchaus nicht ohne Erfolgsaussichten ist. «Es gibt genügend Beispiele, bei denen die Kündigungen aufgehoben wurden», sagt Co-Präsidentin Sarah Brutschin. Zuletzt war der Verband in Basel erfolgreich, als am 22. Juni die Massenkündigung an der Wittlingerstrasse aufgehoben wurde. Immer wieder werde nämlich auf Vorrat gekündigt, erklärt Brutschin. Das mache es für die Eigentümer einfacher, die Sanierungsarbeiten zu koordinieren.

 Keine unwesentliche Rolle dürften dabei auch finanzielle Interessen spielen. Durch die Leerkündigungen versuchen die Eigentümer, auch den Mietzins in die Höhe zu schrauben. «Der Mietzins wird nach der Renovation im Rahmen der üblichen Marktmieten für entsprechende Mietobjekte angepasst», teilt der Allianz-Pressesprecher Bernd de Wall auf Anfrage mit. Für die meisten der jetzigen Mieter, die vor allem «einfache Leute» sind, wie Gfell sagt, wären die Wohnungen dann nicht mehr erschwinglich. «Das sind Zürcher Verhältnisse», echauffiert sich Brutschin. Und damit ist der Mieterverband in der Region immer öfter konfrontiert. Unlängst machte die Leerkündigung von 210 Wohnungen am Stausee in Birsfelden Schlagzeilen. Auch dort steht günstiger Wohnraum auf dem Spiel.

Über die Betroffenen hinweg

Die Sanierung der Arlesheimerstrasse 24 wurde ohne die betroffenen Mieter geplant, die mit der Kündigung vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollen. Dabei ist nicht alles anständig abgelaufen. Einem Mieter, der erst im Februar in die Liegenschaft eingezogen ist, wurde die anstehende Grossrenovation verheimlicht, obwohl davon ausgegangen werden muss, dass die Liegenschaftsverwaltung bereits über das Sanierungsvorhaben orientiert war. Detaillierte Aufnahmen über den Zustand der Liegenschaft wurden nämlich schon im März letzten Jahres in Auftrag gegeben. Umso mehr finden die Gfells, dass man nicht stillschweigend die Faust im Sack machen dürfe. Schliesslich zügle man ja nicht freiwillig. Und noch lebt die Hoffnung, dass sie in der Wohnung, in der sie ihre beiden Töchter aufgezogen haben, bleiben können.

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