Alterszentrum «Im Brüel» im Kreuzfeuer der Kritik
Im «Brüel» ist die Stimmung auf dem Nullpunkt. Mitarbeiter erheben schwere Vorwürfe gegen die neue Heimleitung und den Stiftungsrat. Die Institution kommt seit Jahren nicht zur Ruhe.
Lukas Hausendorf
Die Schweizer Alters- und Pflegeheime durchleben seit der Einführung der neuen Pflegefinanzierung 2011 einen Kulturwandel. Der ökonomische Druck ist gestiegen. Anstatt rein auf das Wohl der Menschen zu schauen, liege der Fokus heute stärker auf der betriebswirtschaftlichen Effizienz, sagt Sandro Zamengo, Präsident des Verbands der Baselbieter Alters- und Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Das ist für die betroffenen Institutionen nicht immer einfach.
Gerade wenn Kosten gespart werden müssen, leidet meistens zuerst das Personal, deren Löhne 85 Prozent des Aufwands ausmacht. Im Alterszentrum «Im Brüel» Aesch haben die veränderten Rahmenbedingungen mit dazu beigetragen, dass das Betriebsklima einen Totalabsturz erlitten hat. Das Personal spricht von «teilweise nicht mehr zumutbaren Zuständen» im Altersheim. Der Umgang mit dem Personal sei respektlos, eine pflichtbewusste Betreuung der Betagten werde dadurch in Mitleidenschaft gezogen, sagen mehrere Mitarbeitende, die aus Angst vor Repressionen anonym bleiben möchten. Sie fordern den Stiftungsrat dringend zum Handeln auf. Das verlangt auch die ehemalige Berufsbildungsverantwortliche des Alterszentrums Anne-Marie Schriber, die mit Besorgnis die zahlreichen Abgänge im Kader ihrer ehemaligen Wirkungsstätte zu Kenntnis genommen hat. «Es braucht Jahre, um das Niveau wieder zu erlangen, das einmal im AZ aufgebaut wurde», sagt sie.
Pflegeheim unter finanziellem Druck
Die angeschossene Heimleitung hat im Moment keinen leichten Stand. Vom alt Gemeindepräsidenten Cyrill Thummel wird sie seit zwei Wochen öffentlich kritisiert, den neuen Geschäftsleiter Abraham Guggenheim hat er quasi zum Abschuss freigegeben. Ihm alleine die Schuld an der Misere zu geben, greift aber zu kurz.
Das Alterszentrum befindet sich in einer finanziell schwierigen Situation und muss Kosten sparen. Die kurzfristige strategische Vorgabe des Stiftungsrats, der wie der Verwaltungsrat der Institution funktioniert, ist denn auch, Aufwand und Ertrag wieder ins Gleichgewicht zu bringen. «Langfristig können wir uns Verluste nicht leisten», sagt Stiftungsratspräsident Urs Kiebele. Seit zwei Jahren würden darum Stellen abgebaut. Neben dem Stellenabbau kam es aber auch vereinzelt zu Lohnkürzungen. Gespart wird auch ganz oben. «Die Geschäftsleitung hat ihre Löhne dieses Jahr ebenfalls reduziert», so Kiebele. Das Sparprogramm ist aber nicht alleinursächlich auf die neue Pflegefinanzierung zurückzuführen.
Bevor Guggenheim das Ruder «Im Brüel» übernahm, hat das Management auch Fehler gemacht und zu viele neue Stellen im Pflegebereich bewilligt, die nun, da die Abgeltung der Pflegeleistungen ganz exakt geregelt ist, nicht mehr zu finanzieren sind. Und genau die neue Abgrenzung, welche Leistungen abgegolten sind und welche nicht, dürfte dem Pflegepersonal wie auch den Bewohnern zu schaffen machen. So gilt die Begleitung eines Patienten an sein Bett als Pflegeleistung, die Begleitung an den Esstisch jedoch als nicht entgeltliche Betreuungsleistung. Wie viel Pflege jeder Patient zugute hat, ist durch seine Einstufung in eine von zwölf Pflegebedarfsstufen klar definiert. Abgerechnet wird im 20-Minuten-Takt. «Die Betreuungsleistungen drohen dabei in den Hintergrund zu rücken. Das stört das Personal», weiss Zamengo.
Kaum Kontinuität
Nicht nur auf der operativen Seite des Alterszentrums war die Fluktuation in den letzten Jahren hoch, auch der Stiftungsrat hat sich quasi erneuert. Einzig Präsident Urs Kiebele gehört dem Aufsichtsorgan schon seit 12 Jahren an. Fünf der übrigen acht Mitglieder sind noch kein Jahr im Amt. Die Wechsel sind vor allem auf Wechsel in den Gemeinderäten der Trägergemeinden Aesch und Pfeffingen zurückzuführen, die von Amtes wegen im Stiftungsrat vertreten sind. Das Gremium ist nun gefordert, die Institution wieder auf Kurs zu bringen und dem Heimleiter die nötigen strategischen Vorgaben zu machen. Eine langfristige Strategie existiert zurzeit aber noch nicht. Mitte September ist eine Klausur anberaumt, in der diese erarbeitet werden soll.
Dann sollen auch Ergebnisse einer Bewohnerbefragung vorliegen, die Heimleiter Guggenheim initiiert hat und die Klarheit über die Zufriedenheit der Betagten schaffen wird.