Aesch weiss, wie richtig Festen geht
Tausende Schaulustige: Wenn die Tour de Suisse einfährt, sind alle da. Fans und Anwohner feiern die Etappenankunft in Aesch euphorisch.
Der Bruggweg in Dornach ist am Montagnachmittag gesperrt, die Autos stauen sich – wer jetzt zu einem dringenden Termin muss, sollte sich in Geduld üben. Zivilschützer passen währenddessen auf, dass niemand die Strasse überquert, am Rand haben Schaulustige ihre Handys gezückt. Bald kommen sie den Berg heruntergerast, die Radprofis, die in der Region schon sehnlichst erwartet werden. Doch zuerst ein Auto, dann noch eines, viele Motorräder und wieder ein Auto. Aus dem Megafon ertönt eine Stimme: «Noch fünf Minuten...» Das Auto ist bereits um die nächste Kurve geflitzt. Plötzlich bläst der Zivilschützer in seine Pfeife. Sofort schiesst die Fluchtgruppe um die Kurve. So schnell, wie sie gekommen ist, ist sie auch schon wieder weg. Es folgen weitere Autos, ein Einzelfahrer und schliesslich das Fahrerfeld. Das unglaubliche Tempo, das die «Gümmeler» auf der Strecke Richtung Nepomukplatz erreichen, lässt sich an den Autos erkennen: Sie rasen mit quietschenden Reifen um die Kurven, um ihren Teams zu folgen – eines der Autos kann gerade im letzten Moment noch einer Verkehrsinsel ausweichen. Der Helikopter, der das Rennen überträgt, folgt ihnen.
Ein bewegendes Volksfest, stolze Aescherinnen und Aescher
Der Tross fährt weiter Richtung Etappenort Aesch. Tausende Menschen sind an diesem Montag auf das Festgelände beim Schulhaus Neumatt gekommen, um das Spektakel zu verfolgen. Die Kinder flitzen über den Pumptrack und üben sich im Klettern, die Erwachsenen schlendern an den Marktständen entlang.
Kurz vor 16 Uhr durchfahren die Radprofis das Ziel ein erstes Mal – die Menge tobt. Die Zusatzschlaufe führt die «Gümmeler» nun noch durch das Schwarzbubenland und über den Challpass. Die Schaulustigen zieht es nach diesem ersten Highlight zu den Foodständen und ins Festzelt – hier ist die Hölle los, die Bänke sind rappelvoll. Wer nicht gerade isst oder einen Platz sucht, der fachsimpelt über einen möglichen Sieger, die Fluchtgruppe und Bonussekunden. Zwei grosse Bildschirme übertragen das Rennen live. Die Stimmung ist ausgelassen, man trifft sich, man kennt sich. «Wenn es ein Fest gibt, dann kommen die Aescher. Es ist so eine schöne Stimmung. Wahnsinn, was das OK alles auf die Beine gestellt hat!», sagt eine Aescherin sichtlich stolz. Der Aescher Bürgerrat Peter Nebel, der mit seiner Velogruppe P-Team einen Getränkestand betreibt, stimmt zu: «Ich finde es irrsinnig, was hier abgeht! Ich hätte nicht gedacht, dass es so voll sein wird. Jung und alt, alle sind zusammengekommen, alle sind da. Da muss man nichts von Velorennen verstehen.»
Der Tenor ist überall gleich, das Publikum aus Aesch ist stolz. Zwei ältere Herren, die auf einer kleinen Mauer sitzen, können sich einen bissigen Vergleich mit der Etappenankunft in Arlesheim vor drei Jahren nicht verkneifen: «In Aesch bigott ist es viel besser als in Arlesheim, wir haben mehr zu bieten», sagt der eine mit einem kecken Schmunzeln, der andere – selbst auch ein Aescher – stimmt natürlich zu.
Schwitzen auf den letzten Metern
Kurz vor fünf Uhr leert sich das Zelt und die grosse Masse bewegt sich an den Strassenrand, um die finale Zieleinfahrt live mitzuerleben. Es gibt keinen freien Platz mehr, jede noch so kleine Erhebung und Mauer wird als Aussichtsplattform genutzt. Die Menge donnert mit den Händen an die Bande, als der Norweger Andreas Leknessund mit Vorsprung alleine ins Ziel einfährt. Wenig später folgt das Hauptfeld. Das Publikum jubelt euphorisch und übertönt dabei schon fast die Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt.
Sicherheitschef Stephan Hohl zeigt sich nach dem Rennen äusserst zufrieden. «Es hat alles geklappt, wie es sollte. Wir hatten keine unvorhergesehenen Pannen oder Probleme», freut sich der Aescher Gemeinderat. Es sei ein aussergewöhnliches Fest: «Die Stimmung ist einmalig.»
Inzwischen begeben sich die meisten Fans zur Siegerehrung. Dort jubelt Leknessund mit einer Glocke in der Hand.
Etwas weiter links überträgt das SRF seine Livesendung. Mit dabei: Sm’Aesch-Pfeffingen-Capitaine Madlaina Matter. Für die Sendung fährt sie auf dem Ergometer, einem fest installierten Rennvelo, das Trainingsparameter misst. Absolvieren muss Matter die letzten neun Kilometer des Zeitfahrens in Vaduz, und das möglichst schnell. Nach dem ruhigen Einfahren gibt die Volleyballerin gegen Ende so Gas, dass sie stark ins Schwitzen kommt. Etwas mehr als 16 Minuten braucht sie für die Strecke – eine gute Leistung, wie ihr die SRF-Radexperten attestieren. Matter darf vom Rad steigen.
Für heute haben alle Beteiligten genug geschwitzt. Und wenn der Tross am Dienstag weitergefahren ist, darf sich Aesch für seine Gastgeberrolle auf die Schulter klopfen.