45 Jahre Werkstube Aesch
Gestern Mittwoch feierte die Werkstube mit einem Jubiläumstag ihr 45-jähriges Bestehen. In der Werkstube werden Menschen mit Behinderung bis ins hohe Alter begleitet. Ragna Wandl ist seit März neue Heimleiterin.
Thomas Brunnschweiler
Der gestrige Tag der offenen Tür begann mit Grussworten von Gemeindepräsidentin Marianne Hollinger und der Sozialpädagogin Ragna Wandl, die seit März dieses Jahres neue Heimleiterin ist. Nach Grillplausch, Musik, Führungen und anderen Attraktionen klang das Fest um 20 Uhr aus. Die Werkstube wurde am 1. Juni 1971 in den Räumlichkeiten der Pfarrer-Brunner-Stiftung eröffnet. Seitdem gab es gesellschaftspolitisch und im agogischen Bereich starke Veränderungen.
Neue Herausforderungen
Die Werkstube Aesch gehört zur Stiftung Adulta, die in Aesch, Allschwil, Gelterkinden und Pratteln je ein Heim betreibt. Die Werkstube an der Gartenstrasse 18 beherbergt 10 Bewohnerinnen und Bewohner, die rund um die Uhr begleitet werden. Vier weitere Menschen mit einer Beeinträchtigung wohnen in einer Aussenwohngruppe (AWG); diese Form funktioniert mit einer Teilbetreuung. Zudem gibt es auch eine externe Wohnbegleitung, die jedoch nur stundenweise betreut ist. Insgesamt sind rund 20 Mitarbeitende in der Werkstube angestellt. Insgesamt wird die Arbeit durch 1700 Stellenprozente abgedeckt. Man merkt, dass Ragna Wandl einen respektvoll-familiären Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern pflegt, die teilweise einen Grossteil ihres Lebens hier verbracht haben. «Im Greisenalter ist der Unterschied von einer Institution für Menschen mit Behinderung und einem Altersheim nicht mehr so gross», sagt die Heimleiterin. «In den letzten zwei Jahren gab es unter den Bewohnern auch Todesfälle, wodurch viele erstmals mit dem Thema von Abschied und Trauer konfrontiert wurden.» Dies ist nur eine der neuen Herausforderungen, denen sich die Heimleitung stellen muss.
Assistenz statt Betreuung
Die Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen von 2008 war ein wichtiger Meilenstein für die Werkstube. 2017 tritt das neue Konzept der Behindertenhilfe der Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt in Kraft. Darin wird der Auftrag zur Teilnahme von Menschen mit Beeinträchtigung an der gesellschaftlichen Teilhabe gewährleistet. Anstelle von Pauschalen tritt die individuelle Bedarfsermittlung. Die Neuordnung und der damit verbundene administrative Mehraufwand könnten als Systematisierung der Abläufe durchaus Vorteile haben, erklärt die Heimleiterin. Anstelle von «Betreuung» sei das Wort «Assistenz» getreten. «Der Begriff der Assistenz», so Ragna Wandl, «wurde gewählt, um schon über die Wortwahl selbstbestimmte von fremdbestimmter Behindertenhilfe abzugrenzen.» Die einst neutralen Wörter «Betreuung», «Versorgung» und «Pflege» stünden heute oft für Fremdbestimmung und Bevormundung. «Selbstbestimmung ist ein zentraler Punkt des Assistenzmodells.» Das neue Modell setzt voraus, dass Hilfeleistungen möglichst unabhängig von Organisationen und deren fremdbestimmten Zwängen organisiert werden. «Die Menschen in der Werkstube sind sehr gut im Quartier und im Dorf integriert», erklärt Ragna Wandl, «das zeigt sich beim Einkaufen, bei den sozialen Kontakten und bei den Besuchen von aussen.»
Spenden sind willkommen
Der Paradigmenwechsel im Finanzierungs- und Kontrollsystem bringt aber Folgen mit sich, die noch nicht restlos absehbar sind. «Aufgrund der letzten Sparrunde müssen z. B. Reparaturen herausgezögert oder auf mehrere Jahre verteilt werden.» Die neue Situation erfordert auch logistische und personelle Flexibilität. Dank der von Bernadette Brodmann und Astrid Baumann seit 40 Jahren ehrenamtlich geleiteten Freizeitgruppe Arlesheim kommen die Bewohnerinnen und Bewohner auch in den Genuss von kulturellen Anlässen. Die neue Situation erfordert auch gute PR, Akquirierung von Spenden und Eingaben bei anderen Stiftungen.