Ein Zeitzeuge der Posamenterei
Ernst Hagenbuch von Breitenbach, der am 21. Juni seinen 98. Geburtstag feiern durfte, ist weit mehr nur als ehemaliger Bandweber und Visiteur. Er hat Breitenbach als Unternehmer nachhaltig geprägt.
Anlässlich der 90. Generalversammlung der Bandfabrik Breitenbach AG im Jahre 2000 wurde Ernst Hagenbuch als «einmalige Persönlichkeit, Forscher, Erfinder, Vater, Unternehmer, Förderer, Ehemann, Freund, Vorbild, Patron etc.» gewürdigt. Seine ersten Kontakte mit der Bandweberei verdankte Hagenbuch dem glückhaften Umstand, Pflegekind bei der angesehenen Familie Jeger-Moll zu werden. Er absolvierte die Textilfachschule in Basel und Zürich sowie die Gewerbeschule. Er betätigte sich als Visiteur von Bandfabriken und Heimposamentereien. Seine Inspektionsfahrten führten ihn auch ins Baselbiet, nach Holderbank, Herznach, ins jurassische Val Terbi bis ins Luzernische. In Grindel war die Heimposamenterei schon 1913 zu Ende gegangen, in Erschwil und im Val Terbi dauerte es noch länger, bis dieser für die Bauern wichtige Nebenerwerb wegfiel.
Hellwacher Zeitgenosse
Im Gespräch in seiner schönen Wohnung erweist sich Ernst Hagenbuch trotz seines hohen Alters als höchst präsent und gesprächig; nur bei den Jahreszahlen ist er sich nicht immer sicher. Er erklärt den Ursprung der für die Region Basel so typischen Seidenbandweberei. «Nach dem Dreissigjährigen Krieg brachten reformierte Glaubensflüchtlinge aus Frankreich das Metier in die Region Basel und nach Deutschland. Hauptsächlich handelte es sich um Heimarbeit.»
Der Fabrikationszweig wurde ursprünglich als «Passementerie» bezeichnet. Darunter versteht man gemeinhin das Weben von Borten, Fransen und Bändern. In vielen Bauernstuben standen drei bis fünf Meter grosse Bandwebstühle, die von Frauen betrieben wurden. Die Geschichte der regionalen Heimposamenterei dauerte rund 300 Jahre, von 1680 bis 1988, als die letzte Heimposamenterin ihre Arbeit niederlegte. Im 19. Jahrhundert lebten noch 16000 Menschen von der Seidenindustrie. Sie besass einen hervorragenden Ruf und war eine nicht zu unterschätzende Wirtschaftskraft. Die 1910 gegründete «Bandweberei Breitenbach AG» befand sich bereits in schwierigen Zeiten. Nach dem Ende der Basler Bandindustrie firmierte der Betrieb 1915 unter dem Namen «Bandfabrik Breitenbach AG». Am 1. April 1941 trat Hagenbuch als Weber in den Betrieb ein und war mit einem 15-monatigen Unterbruch, in welchem er in Peru weilte, in verschiedenen Funktionen für die Bandfabrik tätig, bis hin zum Verwaltungsratspräsidenten.
Forscher und Erfinder
«In einer weiteren Krise in den Fünfzigerjahren entwickelte ich das Patent ‹Susifix›, bei dem sich mit einfachsten Mitteln aus einem Dekorationsband eine Masche binden liess», sagt Hagenbuch. Sein zweites erfolgreiches Patent war «Helanca», ein seidenweiches Band. Der Wäschehersteller Triumph war ein dankbarer Abnehmer dieses Patents. Unterdessen entwickelte Hagenbuch als Forscher und Erfinder verschiedene Maschinen zum Färben und Veredeln. «Dank der Vollautomatisierung brauchte es statt 500 nur noch 25 Frauen, was den Gewerkschaften keine Freude bereitete.» 2004 gründete Hagenbuch das Industriemuseum Breitenbach. Er war früher auch Kirchgemeindepräsident und Verfassungsrat. Heute darf er mit Genugtuung und Stolz auf seine Karriere zurückblicken.