Das Leben ist lebenswert

Ist ein Leben mit Schwerstbehinderung oder Demenz lebenswert? Barbara Schmitz hat sich philosophisch, aber auch mit ihrer persönlichen Erfahrung dieser Frage genähert und darüber ein Buch geschrieben.

Ein Buch, das zum Denken anregt: Die Autorin Barbara Schmitz mit ihrem Hund, der auch mit drei Beinen ein gutes Hundeleben führen kann. «Lina Bär hat ein gutes Leben. Ein zweites Leben. Ein Leben mit einer Behinderung, das anders als ihr erstes Le
Ein Buch, das zum Denken anregt: Die Autorin Barbara Schmitz mit ihrem Hund, der auch mit drei Beinen ein gutes Hundeleben führen kann. «Lina Bär hat ein gutes Leben. Ein zweites Leben. Ein Leben mit einer Behinderung, das anders als ihr erstes Leben, aber ohne jeden Zweifel lebenswert ist», gesteht sie auch einem Tier zu. Foto: Gaby Walther

Schwanzwedelnd kommt der Schreibenden ein grosser Hund entgegen. Wegen einer Krebserkrankung musste ihm ein Bein amputiert werden. «Die Lebensfreude hat er dadurch nicht verloren», erklärt Barbara Schmitz, die seit acht Jahren mit ihrer Familie in Grindel wohnt. Auf der Kommode steht ein Foto einer fröhlichen jungen Frau. Es ist Carlotta, die 22-jährige Tochter, die seit Geburt behindert ist. Schliesslich ist da noch die Erinnerung an Ulla, die Schwester von Barbara Schmitz, die sich mit 37 Jahren das Leben nahm. «Es hat mich bestürzt, dass wir in einer Welt leben, in der einerseits Menschen wie Carlotta um ihr Recht auf ein lebenswertes Leben kämpfen müssen und anderseits Menschen wie Ulla ihr Leben nicht mehr als lebenswert ansehen», erzählt Barbara Schmitz, die als Dozentin und Gymnasiallehrerin in Basel unterrichtet.

In ihrem soeben erschienenen Buch setzt sich die habilitierte Philosophin mit der Frage «Was ist ein lebenswertes Leben?» auseinander. Behinderung, Krankheit, Alter, pränatale Diagnostik und Suizid sind Themen, die sie dabei aufgreift. Sie beleuchtet die Frage nach ­einem lebenswerten Leben einerseits von der wissenschaftlich-philosophischen Seite. Anderseits kommen ihre eigenen, subjektiven Antworten ebenso wie jene von anderen Betroffenen zur Sprache. «Ich lebe gerne», erzählt im Buch ein junger, stark behinderter Mann. Die Autorin schreibt: «Nur durch die Berücksichtigung von Innenperspektiven können Fehlurteile vermieden werden.» Zu schnell komme es zur Wertung aus der Aussenperspektive. So ernte sie immer wieder ungläubige Blicke, wenn sie erzähle, dass sie mit ihrer Tochter glücklich sei. Viele Menschen seien von negativen Bildern von Behinderungen oder Krankheit geprägt. Das führe zu Aussagen wie: «Wenn ich dein Leben führen müsste, würde ich mich umbringen.»

Als Grundlage für ein menschenwürdiges Leben müssen nach Schmitz Grundbefähigung ermöglicht und grundlegende Bedürfnisse befriedigt werden. Konkret bedeutet dies, dass ein Mensch bei Bedarf spezielle Hilfen oder Angebote bekomme.

Kritisch äusserst sich die Philosophin gegenüber der Sterbehilfe. Der Wunsch zu sterben werde zu schnell akzeptiert. Wenn jemand Suizidabsichten äussere, bestehe unsere Aufgabe nicht darin, diesen Willen einfach zu respektieren, sondern darin, dem anderen Menschen zu helfen, seine Entscheidung zu hinterfragen und Hoffnung zu vermitteln — auch wenn dies nicht immer gelingen könne. Zum Thema Altern erkennt die 54-Jährige, dass Älterwerden schwierig und schmerzhaft sein könne. Aber es bestehe auch eine grosse Chance, eine neue Haltung zum Leben und zu sich selbst zu entwickeln, Gelassenheit, Offenheit und die Anerkennung von physischen und mentalen Grenzen zuzulassen. Im terminalen Stadium schliesslich sollte die Hoffnung auf Geborgenheit, Trost und Begleitung bleiben.

«Es ist nicht möglich, auf eine einfache Formel zu bringen, was das Leben lebenswert macht», schreibt die Autorin. Sie beleuchtet die Aspekte aus verschiedenen Blickwinkeln, behandelt das Thema sehr differenziert und bleibt in ihrer Ausführung auch für nichtakademische Leserinnen und Leser sehr verständlich. Das Buch ist kein Lebensratgeber, sondern soll anregen, eigene Antworten zu finden. Für Barbara Schmitz, so ist aus dem Gespräch zu spüren, kann ein Leben auf vielfältige Weise lebenswert sein.

Was ist ein lebenswertes Leben? Philosophische und biografische Zugänge, Barbara Schmitz, Reclam Verlag. www.barbara-schmitz.net

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