Sweet Helga wird sauer
Mit ihrem 5. Soloprogramm «Sweet & Sauer» trat Regula Esposito als Helga Schneider am letzten Freitagabend im Kulturzentrum Alts Schlachthuus auf. Ein prickelnd witziger, bunter Strauss an Pointen.
Lichteffekte, spektakuläre Musik und eine Triggerwarnung vor dem nun Folgenden. «Sie könnten retraumatisiert werden», sagt eine männliche Stimme besorgt. Damit ist vor dem Programm die Wokeness unserer Tage hinlänglich ironisiert. Eine gut aufgelegte Helga stürmt im orangefarbenen gediegenen Hosenanzug herein und weist gleich auf ihre «Zürischnurre» hin. Die Bühnenfigur Helga Schneider gibt sich natürlich unbedarfter, schwatzhafter, überspannter und penetranter als Esposito es ist. Gleich am Anfang ortet sie die Presse in der ersten Reihe, deren Gegenwart sie durch den ganzen Abend hindurch immer wieder thematisiert. Sie präsentiert ein Gedächtnistraining und beweist, dass sie die Namen der ersten Reihe kennt. Diese assoziative und spontane Kontaktaufnahme mit den Leuten ist effektiv. Helga Schneider hat das Publikum im Sack.
Die Gratwanderung der Comedians
Sie erzählt vom so ganz unromantischen Tourenalltag, von den grässlich-grauslichen Hotelzimmern, den TV-Commercials um 3 Uhr nachts und vom Scheiblettenkäse am Frühstücksbuffet, der aussehe wie «Emmentaler in den Wechseljahren». Dann kriegt sie die Kurve zur Political Correctness. In der polarisierten Gesellschaft begebe sich jeder Comedian auf eine Gratwanderung und müsse sich «am Rima reissen» — eine Anspielung auf einen coronabedingten Ausraster von Marco Rima. Früher habe man noch Witze machen können, sagt Helga Schneider, heute sei dies aufgrund der Wokeness heikel geworden. Sie erzählt einen wunderschönen Witz und dekonstruiert ihn dann nach allen Regeln der politischen Korrektheit, um diese gleichzeitig ad absurdum zu führen.
Helga ist Meisterin des Wortwitzes und des Kalauers. So verweist sie auf einen möglichen Auftritt im Fernsehen mit dem Satzanfang: «Mona, wenn d’ Vetsch …» Sie wohne jetzt in Mettmenstetten im Säuliamt, au département du cochon, wo alles «allemaa» sei und eigentlich nichts laufe. Nur wenn man am Stammtisch das Wort «Gender» fallen lasse, sei die Hölle los.
Helga Schneider spielt mit Klischees, grimassiert sich durch den Alltag und nimmt als Schulleiterin an einem Elternteilabend die Vergenderung des Familien- und Schullebens hoch. Ihre Fröhlichkeit verdankt sich scheinbar den zwei Flaschen «Champagner», die sie herunterkippt. Die Kadenz der Pointen und Lacher im Publikum erhöht sich exponentiell. Sie sei immer auf Zack und möge keine Staus, dabei gebe es überall Staus, vom HB Zürich bis in den Himmel; und überall Herden von blökenden Schafen — mähhh — mit einem Smartphone vor den Nüstern. Beim Wägelistau in Läden müsste man hart durchgreifen, sagt sie, und die actionversauten Gaffer auf der Autobahn sorgten auch für Staus. Am Schluss: Riesenapplaus.
Der Erfolg der Bühnenfigur Helga Schneider basiert darauf, dass sich jede und jeder in den alltäglichen Anekdoten wiedererkennt und letztlich auch über sich selbst schmunzeln muss. Grossartig.