Stehende Ovationen auf Gleis 12
Das Bühnen- und Ehepaar Bröckelmann & Bröckelfrau begeisterte am letzten Samstagabend das Publikum im Kulturforum Alts Schlachthuus in Laufen. Die zwei boten vielschichtiges Kabarett auf höchstem Niveau.
Der Bühnenraum gerammelt voll; das Bühnenbild einfach: zwei 2.-Klasse-Sitze der SBB, ein Kleiderständer und ein paar wenige Requisiten. Das Programm heisst «19:57. Gleis 2». Die Einfahrt eines Zuges gestaltet sich akustisch. Die beiden quirligen Kunstschaffenden im Fach Humor wenden sich gleich ans Publikum. «Meine Parodiefiguren brauchten mal frische Luft in der Zeit von Corona», sagt David Bröckelmann und bringt gleich die erste Parodie: Andreas Moser widmet sich der Population der Migros- und Coop-Elsässer im Rahmen der Sendung «Pro specie rara». Hakan Yakin sieht Diebe und Räuber diskriminiert. «Ein Dieb ist eine Fachkraft für spontane Eigentumsübertragung.» Dann geht’s auf die Reise von Bern nach Zürich via Brig sowie von Wladiwostok nach Laufen, «das Ganze aber fix!» Ein griesgrämiges Rentnerehepaar zieht die Leute durch den Kakao und ab und zu auch sich selbst: «In unserem Alter braucht man kein Bio. Da ist man doch schon selbst Kompost.» Ein Wortspiel jagt das andere. Und um Lacher müssen sich die beiden auf der Bühne auch nicht sorgen. Bröckelmann & Bröckelfrau haben das Publikum im Sack. Moritz Leuenberger gibt den SpitexBB-Begleiter für Senioren. Der Lokiführer am Mischpult wird vorgestellt: Thomas Baumgartner. Beim Thema Essen brilliert Bröckelmann als Minu. Salomé Jantz spielt abwechslungsweise das Sensibelchen Fabienne und eine brachiale McDonald’s-Suffragette. Einen weiteren Höhepunkt bildet der Dialog zweier Jugendlicher im Balkan-slang. «Weisch, Schtei vom Obelix isch gsi Handy. Die händ nöd gessemesslet, die händ gessemeissllet!»
Vielschichtig, klug und temporeich
Nach der Pause kommt das Publikum in den Genuss einer Parodie einer Firmenumstrukturierung durch zwei Deutsche. Und Oswald Grübel verkündet als Monster mit Grabesstimme das Credo des Kapitalismus. Magdalena Martullo-Blocher serviert ihn jedoch eiskalt ab. Dann bekommen die Hartz-4-Sendungen ihr Fett weg: «Der Bachelor» und «Die Bachelorette». Es sind — man glaubt es kaum — völlig bescheuerte Originaltexte aus den Sendungen selbst. Es folgen ein virtuoser Rap und ein Ausflug in die Niederungen der Abortologie. Trainer Christian tritt auf und natürlich immer wieder ein altkluger Hakan Yakin. Am Schluss präsentieren die beiden Kabarettisten ein grossartiges Finale in Form eines Lieder-Medleys, in dem neben Marylin Monroe und Nena auch ein Operntenor zum Einsatz kommt. Nach stehenden Ovationen geben die beiden einen Schlager über das General-Abo zum Besten. Bröckelmann & Bröckelfrau verstehen es, die Schwächen einzelner Gesellschaftsgruppen aufs Korn zu nehmen, ohne dabei je despektierlich zu sein. Hinter ihrem Programm stehen viel Arbeit, Einfühlung und Bildung. In den Sketchen erkennt man sich wieder und muss unwillkürlich lachen, ob man will oder nicht.
Das Paar gehört derzeit zum Besten, was die Schweizer Kabarettszene zu bieten hat.