Schule ohne Deutschkenntnisse
Wöchentlich kommen Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in die Schulen der Schweiz. Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel der Sekundarschule in Laufen.
«Mir geht es gut. Gestern habe ich einen Kuchen gebacken und danach Klavier gespielt», erzählt Tanja*. Sie ist mit ihrer Mutter aus der Ukraine geflüchtet und besucht nun seit einer Woche die Fremdsprachenklasse der Sekundarschule in Laufen. Deutsch kann sie zwar noch nicht, aber dank Google Translate kann sie die Sätze vorlesen. Im Kreis sitzen 17 Jugendliche im Alter zwischen 13 und 18 Jahren, aktuell aus den Ländern Syrien, Eritrea, England, Äthiopien, Irak und eben aus der Ukraine. «Wöchentlich kommen im Moment weitere Jugendliche aus der Ukraine in die Klasse», erzählt der Klassenlehrer Thomas Steiner. Aus diesem Grund beantragte die Schule beim Kanton die Erweiterung auf eine zweite Fremdsprachenklasse und erhielt die Bewilligung. Somit können bis zu 26 fremdsprachige Jugendliche in die Grossklasse aufgenommen und gefördert werden.
Die Fremdsprachenklasse in Laufen existiert seit 2015. Die Schülerinnen und Schüler lernen während rund eines Jahres, sich auf Deutsch zu verständigen und wechseln danach in eine Regelklasse. Unterstützung erhält der Klassenlehrer vom Sozialpädagogen Oliver Wagner und seit ein paar Tagen von Illona Warkentin und Valeriia Andrieieva. Die beiden Ukrainerinnen haben vorerst einen Vertrag bis im Sommer 2023. Ilona Warkentin hat während mehr als zehn Jahren in Deutschland gelebt und wohnt seit einem halben Jahr in Büsserach. Sie ist Sozialpädagogin und Erziehungswissenschafterin und spricht perfekt Deutsch. Ihre Schwester ist erst seit ein paar Wochen aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet. Sie ist Sozialpädagogin und hat ebenfalls gute Deutschkenntnisse.
Lernatelier
Doch wie funktioniert der Unterricht mit so viel Fremdsprachigen und unterschiedlichem Wissensstand? «Eigentlich ist das nur mit einem Lernatelier möglich, wo den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, selbstständig und in ihrem individuellen Tempo zu arbeiten», erklärt Steiner, der eine Zusatzausbildung zum Lerncoach absolviert hat. Bevor die Jugendlichen die Klasse besuchen, findet ein Elterngespräch mit Dolmetscher statt, um den schulischen Wissensstand zu ermitteln. «Wir erarbeiten im Team für jede Schülerin und jeden Schüler nach deren Kenntnissen und Fähigkeiten individuelle Ziele und Arbeitsinhalte», erzählt Steiner. Er ist überzeugt, dass das Arbeiten im Lernatelier besser funktioniert als reiner lehrerzentrierter Unterricht. Dadurch übt jede Schülerin auf ihrem individuellen Niveau und wird so optimal gefördert und gefordert. Natürlich gibt es nebst dem selbstständigen Arbeiten auch gemeinsame Lernsequenzen.
Der Tag beginnt mit dem Morgenkreis, wo alle erzählen dürfen, wie es ihnen geht und was sie am Tag zuvor gemacht haben. An diesem Morgen findet auch eine Audioübung statt. Gemeinsam liest die Klasse eine kurze Geschichte, hört sich danach Fragen an und versucht, die passende Antwort anzukreuzen. Anschliessend löst sich die Klasse auf. Es wird in Gruppen oder einzeln gearbeitet. Die Ukrainer lernen mit ihren Lehrerinnen die Konjugation von «haben», Ali* übt am Tablet arabisch-deutsch, Meklit* übt sich im Rechnen, Amira* und Dayyan* machen eine Partnerarbeit, während Maria* im Lösungsbuch ihre Resultate überprüft.
Nebst dem Deutschlernen ist die Integration ein wichtiges Ziel. Steiner unternimmt mit der Klasse Ausflüge in die nahe Umgebung und auch Sportunterricht, Hauswirtschaft, bildnerisches Gestalten, Werken und textiles Gestalten verbindet. Tatsächlich, auf dem Pausenhof wird gelacht, Fussball gespielt und Znüni geteilt. Die jungen Leute lernen erstaunlich schnell, sich zu verständigen. Und schon bald werden die ersten Jugendlichen die Klasse verlassen und in einer Regelklasse integriert.
*Namen geändert