Revolution beim Asphalt
Was man nicht für möglich hielt, hat in Wahlen das erste Jahr schadlos überstanden. Erstmals wurde in der Schweiz eine Teststrecke mit reinem Recycling- Asphalt saniert. Dieser wurde zudem nicht einmal erhitzt, sondern kalt aufgebracht.
Die bahnbrechende Teststrecke in Wahlen hat das erste Jahr erfolgreich überstanden. Bei der Inspektion stellten Christiane Raab und Manfred Partl keinerlei Risse in der Strasse fest. Sie haben an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) zuerst im Labor mit Asphaltrecycling geforscht, danach durften sie in Wahlen eine Teststrecke asphaltieren lassen. Es sind die knapp 300 Meter Kantonsstrasse vom Ausgang des Dorfs bis zur Büsseracher Gemeindegrenze. Diese Teststrecke ist Teil der europäischen Forschung Orrap und einmalig in der Schweiz. Mit einem Gesamtbudget von 1,5 Millionen Euro wird Orrap vom Programm «InterregV Oberrhein» mit gut 400000 Euro des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert. Im Rahmen der Schweizerischen Neuen Regionalpolitik wird das Projekt zusätzlich von der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Kantonen Aargau und Basel-Landschaft unterstützt.
Das Revolutionäre daran ist, dass für die Sanierung die bestehende Asphaltschicht der Strasse mit 100 Prozent reinem Recyclingmaterial überbaut wurde. Lediglich die oberste Deckschicht wurde zum Schutz des Recycling-Materials konventionell heiss aufgebracht. Der Recyclingschicht wurden also keinerlei Verjüngungsmittel und kein neues Bitumen beigefügt. Lediglich Wasser wurde zugesetzt. Zudem wurde sie nicht einmal erhitzt. «Der Einbau erfolgte kalt, wobei es ein sehr warmer Sommertag war», erklärt Raab. Allerdings mussten Raab und ihr Forscherteam noch während des Einbaus Justierungen am Walzenregime vornehmen. «Zu Beginn liessen wir den Kaltasphalt mit einer 12 Tonnen schweren Walze vibrierend verdichten. Das führte aber zu Rissen und zu starken Randabbrüchen», sagt Raab. Danach liess sie den Asphalt nur noch mit leichteren Maschinen im Vibrationsmodus verdichten. Insgesamt wurde die Anzahl der Walzüberfahrten gegenüber konventionellem Heissasphalt deutlich erhöht.
Schont die Umwelt
Für Raab liegen die Vorteile dieses Verfahrens auf der Hand. Der Asphalt muss nicht erhitzt werden, was zu erheblichen CO2-Einsparungen führt. Zudem kann viel des in der Schweiz auf Halde liegenden Recyclingmaterials benutzt werden, was wiederum die Umwelt schont. Raab kann sich auch vorstellen, dass in Zukunft bei der Sanierung einer Strasse der ausgebaute Asphalt an Ort und Stelle zerkleinert und anschliessend wieder eingebracht wird. So würden auch die Transportwege zur nächsten Deponie wegfallen.
Raab weist auch darauf hin, dass in Schweden bereits einige Strassen mit Recyclingasphalt kalt saniert werden. Allerdings seien diese Strassen wenig beansprucht. Deshalb müsse man zunächst sicherstellen, ob sich dieses Verfahren in der Schweiz bewähre, und herausfinden, welchen Verkehrslasten es standhalte. Sie würde es begrüssen, wenn der Kanton periodisch die Teststrecke untersuchen und zu diesem Zweck auch Bohrkerne entnehmen würde, um so Aussagen über die Nachverdichtung des Recyclingmaterials zu erhalten.
Noch mehr Forschung nötig
«Wir haben vor, die Qualität dieser Teststrecke zu überwachen», bestätigt Philip Bürgisser, Leiter K-Infra-Management und Baustofftechnologie beim kantonalen Tiefbauamt. Der Kanton sei grundsätzlich bestrebt, den Anteil an Recyclingasphalt zu erhöhen. Aber im Augenblick sei nicht geplant, Raabs Verfahren anzuwenden. Dies hat einen einfachen Grund: Grundsätzlich halte sich der Kanton bei seinen Strassenbau-Projekten an die Normen des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS). Raabs Verfahren sei jedoch eine sehr junge Technik und entspreche zurzeit nicht den Normen.
Bis es so weit ist, sei noch mehr Forschung nötig, um sicher zu gehen, dass der Belag auch dauerhaft sei. Zudem sei Raabs Kaltrecycling-Verfahren noch nicht für hohes Verkehrsaufkommen oder hohe Belastungen wie Lastwagenverkehr optimiert. Bürgisser kann sich daher vorstellen, dass dieses Verfahren momentan am ehesten die Aufnahme in die VSS-Normen für Strassen mit geringer Verkehrslastklassen wie zum Beispiel Gemeinde- und Quartierstrassen schaffen könnte.