Mit positiver Einstellung durchgestartet

Ellen Walther, 22 Jahre alt, gewann Mitte Januar in Norwegen drei WM-Bronzemedaillen. Dass die in Roggenburg aufgewachsene junge Frau dies schaffte, ist eine verspätete Weihnachtsgeschichte.

Stets positiv: Ellen Walther in der Nähe ihres Zuhauses mit ihren drei Medaillen und viel Zuversicht. Foto: eh-presse
Stets positiv: Ellen Walther in der Nähe ihres Zuhauses mit ihren drei Medaillen und viel Zuversicht. Foto: eh-presse

Stolz hält Ellen Walther die Medaillen in der Hand. Seit sie zwei Jahre alt ist, bewegt sich die lebenslustige junge Frau auf dem Schnee. «Zuhause hatten wir im Garten einen kleinen Hügel und auf dem machte ich meine ersten Versuche mit den Skis. Wie bei vielen folgte dann der Wechsel auf das Snowboard.» Sie liebte es, auf dem Brett über den Schnee zu gleiten. Auch an jenem Tag 2019. «Ich war mit Freunden auf der Piste. An einem leider nicht gesicherten Pistenrand wollte ich zurück auf die Piste, bemerkte nicht, dass hinter mir ein Abhang war. Ich fiel genau dort rund fünf Meter hinab auf meinen Rücken.» Sie habe im ersten Moment an nichts gedacht, spürte dank dem Adrenalinschub fast keine Schmerzen. Von einer Sekunde zur anderen war das Leben nicht mehr, wie es war. «Ich spürte die Beine unterhalb der Oberschenkel und hinten wenig bis gar nicht mehr.» Anfangs konnte sich die junge Frau, die 1000 Ideen im Kopf hatte und die so gerne Theater spielte und tanzte, nur mit dem Rollstuhl bewegen. Als wären der Unfall und die Folgen nicht genug gewesen, befand sich Ellen Walther auch noch im Lockdown. Niemand durfte sie besuchen. «Drei der sechs Monate in der Rehab war Besuchsverbot. Es war, denke ich, für meine Familie schwieriger als für mich.» Die jetzt in Basel lebende junge Frau haderte nicht mit dem Schicksal. «Ich versuchte damals und auch jetzt, im Moment zu leben. Du weisst nie, was kommt, deshalb finde ich mit diesem Lebensmotto auch die Kraft, das Beste aus einem Tag zu machen. Ich sagte mir: Ellen, du bist jung, hast noch das ganze Leben vor dir. Also mach Schritt für Schritt.» Sie lernte wieder zu laufen und sich mit dem Rollstuhl zu bewegen. «Ich machte schnell Fortschritte und konnte mit dem Stock meines Grossvaters laufen. Euphorisiert riskierte ich jedoch zu viel und machte eines meiner Fussgelenke kaputt.» Das sei eine Lehre gewesen, sagt sie. «Aber ich wollte unbedingt wieder auf das Snowboard.» Dank einem speziellen Schuh und der Oberschenkel-Muskulatur kann sie wieder Snowboard fahren. «Natürlich dachte ich da noch nicht, dass ich bald WM-Medaillen holen und den Medien meine Geschichte erzählen würde.» Anfangs Saison erklärte man Ellen, dass sie nicht an die World Para Snow Sports Weltmeisterschaften, die vom 12. bis 23. Januar 2022 in Lillehammer stattfanden, gehen könne. «Es ist meine erste Saison und erst im Dezember wurde mein Behinderungsgrad eingestuft. Es gab dann drei Qualifikationsrennen und ich packte meine Chance.» Der Hang in Hafjell sei extrem eisig gewesen, erklärt die Doppelbürgerin, die dank ihrer Mutter auch den norwegischen Pass hat. «Ich konnte keinen Druck auf die Kanten geben, rutschte mehr, als dass ich fuhr.» Wo sie akzeptiere, dass gewisse Funktionen nicht mehr kommen, lasse sie es ruhen. «Wenn ich mit dem Rollstuhl draussen bin, kann ich fast alles machen. Die Leute sind rücksichtsvoll, helfen auch gerne. Ich möchte mich aber auch mit dem Stock zu Fuss bewegen. Doch das ist nicht einfach.» Das Laufen sei anstrengend, mache sie müde. Zudem brauche sie lange. «Wenn ich zu Fuss unterwegs bin, nehmen die Leute keine Rücksicht. Ich muss aufpassen, dass ich nicht stürze. Und es gibt Menschen, die mich als Simulant beschimpfen, wenn ich aus dem Rollstuhl steige.» Sie wolle die Schauspielschule machen und die WM im kommenden Jahr sei das sportliche Ziel.

«Viele Situationen sind nicht einfach zu akzeptieren. Doch ich versuche, mit Theater und mit der Schilderung meiner Geschichte zu zeigen, dass es sich lohnt, zu kämpfen. Wir müssen versuchen, das Positive zu sehen und für unser Leben zu kämpfen und das, was man hat, wertzuschätzen». Sie sei dankbar, dass ihre Freunde echte Freunde seien und weiter zu ihr stehen. «Ich war früher überall dabei, das geht jetzt nicht mehr. Ich habe nicht mehr die Energie. Ich suche mir die Anlässe bewusster aus». Sie sei sich der Konsequenzen durchaus bewusst. «Ich habe danach Schmerzen, aber das ist dann in Ordnung, denn ich akzeptiere es, da es der Psyche hilft und ich weiss, woher die Schmerzen kommen.» Sie zieht ihre rote Glückskappe an, verstaut die Medaillen in ihrem Rucksack, löst die Bremsen am Rollstuhl und entschwindet zwischen Fussgängern und Velos. Eine junge Frau, deren Lebenseinstellung und Kämpferherz beeindrucken.

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