«Komm aus der Opferrolle heraus und wehre dich»

Loredana Galeoto wurde von ihrem Mann brutal niedergestochen. Mit dem Erzählen ihrer Geschichte möchte sie heute, am «Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen», auf das Tabuthema aufmerksam machen.

Kämpft für ein gutes Leben: Loredana Galeeoto wurde vor drei Jahren von ihrem damaligen Ehemann in Laufen mit einem Messer niedergestochen. Seitdem ist sie gelähmt. Sie möchte Opfer von häuslicher Gewalt dazu ermutigen, sich trotz Angst zu wehre
Kämpft für ein gutes Leben: Loredana Galeeoto wurde vor drei Jahren von ihrem damaligen Ehemann in Laufen mit einem Messer niedergestochen. Seitdem ist sie gelähmt. Sie möchte Opfer von häuslicher Gewalt dazu ermutigen, sich trotz Angst zu wehren. Foto: Fotostudio Amadeo Esteriore

Loredana Galeoto strahlt bewundernswert viel Lebensenergie, Freude und Kraft aus. Selbstverständlich ist dies nicht. Vor drei Jahren, am 27. Dezember 2018, wurde sie von ihrem damaligen Ehemann in einer Boutique in Laufen mit einem Messer niedergestochen. Seither ist die Laufnerin im Rollstuhl. Vor drei Wochen verurteilte das Baselbieter Strafgericht den Italiener wegen versuchten Mordes zu 15 Jahren Zuchthaus und 12 Jahren Landesverweis. Nun wendet sich Loredana Galeoto ans Wochenblatt. Sie möchte mit ihrer Geschichte anderen Frauen und auch Männern, die Gewalt in der Partnerschaft erleben, Mut machen: «Macht die Augen auf. Lasst Euch nicht schlecht behandeln und unterdrücken. Opfert nicht euer Leben für solche Menschen. Wehrt Euch, kämpft, holt Hilfe.» Ihre eigene Leidensgeschichte hat lange gedauert.

27 Jahre war Loredana Galeoto verheiratet. Anfangs seien sie sehr verliebt gewesen. Doch nach dem ersten Kind folgte bald die erste Ohrfeige. Immer öfters musste sie vom Ehemann Gewalt und Drohungen hinnehmen. Dabei managte sie fast alles allein. Sie arbeitete in der Pflege und schaute abends auf die beiden Mädchen. Der Mann ging selten länger einer Arbeit nach und auch zuhause war kein Verlass auf ihn. Zweimal zeigte Loredana ihn bei der Polizei an. Doch seine Drohungen waren so massiv, dass sie die Anzeigen zurückzog. «Ich hatte Angst um meine Kinder. Was sollten sie machen, wenn ihre Mutter tot und der Vater im Gefängnis ist? Aus diesem Grund blieb ich bei ihm und liess alles zu. Ich wusste, dass ich ihn verlassen werde, sobald meine Töchter erwachsen sind», schildert die 50-Jährige die damalige Situation.

Im Juli 2018 spitzte sich die Situation zu. Der Mann sperrte seine Ehefrau in der Wohnung ein und nahm ihr Natel, Schlüssel und Kreditkarte weg. Mit Hilfe der Töchter gelang ihr nachts die Flucht und am Morgen erstattete sie Anzeige bei der Polizei. Der Mann wurde in die Psychiatrie in Liestal eingeliefert. Während des eineinhalbmonatigen Aufenthalts floh er zweimal. Beim zweiten Mal wurde er nicht mehr inhaftiert. Er wurde als gesund erklärt. «Inzwischen war ich nach Röschenz gezogen und obwohl er sich mir nicht nähern durfte, stalkte er mich. Er tauchte ständig überall auf. Ich lebte die ganze Zeit unter extremer Angst. Ich wusste, er hört nicht auf, bis er mich umgebracht hat», erzählt Loredana Galeoto. Die Angst wurde so gross, dass sie zu einem Kollegen zog und niemanden die Adresse verriet. Die 18-jährige Tochter blieb allein in der Wohnung zurück. «Ich gab ihr Geld, rief sie täglich an und sorgte aus der Ferne für sie.» Wegen der Tochter kehrte die Mutter vor Weihnachten zurück nach Röschenz. Am 26. verbrachten sie gemeinsam einen schönen Tag. Am 27. wurde Loredana Galeoto niedergestochen.

Hätte das Drama verhindert werden können? Solange kein Verbrechen passiert, kann die Polizei wenig unternehmen. Sie kann bei einer Anzeige den Mann für 24 Stunden in Gewahrsam nehmen und ihm verbieten, sich der Frau zu nähern.  «Die Polizei riet mir, ins Frauenhaus zu gehen. Doch ich konnte mich doch nicht für den Rest des Lebens dort verstecken.» Loredana wünscht sich mehr Hilfe für die Opfer. Nicht nur vonseiten der Polizei. Auch im Bekanntenkreis hätten die Leute weggeschaut oder Angst gehabt, ihr zu helfen. «Gewalt gegen Frauen wird in der Schweiz und weltweit zu oft verharmlost und tabuisiert. Ich möchte mit dem Erzählen meiner Geschichte mithelfen, etwas daran zu ändern», so Loredana Galeoto. Sie spricht vor allem die Opfer an. «Wir sind auch Menschen. Komm aus der Opferrolle heraus. Es ist nicht deine Schuld. Nimm dein Leben in den Griff. Wehre dich, sage nein. Wir leben nur einmal», betont sie noch einmal. Sie selbst geniesst das Leben wieder und hat sich noch nie so frei gefühlt. Während fast eines Jahres war sie in der Reha. Dort lernte sie einen neuen Partner kennen. Inzwischen lebt sie in Laufen in einer rollstuhlgängigen Wohnung, kann den Haushalt allein erledigen und kämpft um jeden gesundheitlichen Fortschritt.


16 Tage gegen Gewalt an Frauen

Im Schnitt wird in der Schweiz jede zweite Woche eine Frau durch ihren Partner getötet. Die Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein zeigt in einer repräsentativen Studie auf, dass 42 Prozent der befragten Frauen in der Schweiz schon Gewalt in einer Paarbeziehung erlebt haben. Häusliche Gewalt ist somit ein gesellschaftliches Problem. Die Kampagne «16 Days of Activism Against Gender Violence», welche  1991 vom Women‘s Global Leadership ins Leben gerufen wurde, leistet mit vielfältigen Veranstaltungen einen Beitrag dazu, genauer hinzuschauen und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Die 16 Tage beginnen stets am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Abschluss ist am Tag der Menschenrechte am 10. Dezember.

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