Ihr nächstes Ziel sind die Olympischen Spiele
Sechsmal wöchentlich trainiert Anny Wu aus Röschenz im Leistungszentrum Magglingen, um sich der Weltspitze im Kunstturnen zu nähern. In der Schweiz gehört sie bereits zu den Besten.
Anfang September durfte sich Anny Wu zur Schweizermeisterin im Stufenbarren küren lassen und holte sich ausserdem Bronze am Boden. Somit gehört sie zu den Besten im Land. Für dieses Ziel hat Anny Wu jahrelang hart gearbeitet. Bereits als Kleinkind sei sie ein sehr aktives Kind gewesen, sagt sie. Sie sei auf Bäume geklettert und hielt kaum still. Im Alter von fünf Jahren schickte Annys Mutter das Mädchen in den Verein KUTU-Obersiggenthal, mit sieben Jahren ging es bereits weiter ins Leistungszentrum Niederlenz. «Von Anfang an hatte ich mich ins Kunstturnen verliebt», sagt Anny Wu heute. Mit 14 Jahren schaffte sie den Sprung ins erweiterte Nationalkader und konnte 2019 bereits an EM und WM teilnehmen. Mittlerweile ist die knapp 21-Jährige im Nationalkader und mischt hierzulande ganz vorne mit.
Auf internationalem Parkett reicht es noch nicht für die Weltspitze. «Die Konkurrenz ist riesig», sagt die Athletin. «Es gibt Nationen, die sehr viele Athletinnen an der Weltspitze haben. Nichtsdestotrotz konnte Anny Wu Ende September in Antwerpen nach 2019 erneut an einer WM teilnehmen. «Mein nächstes Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris», sagt Anny Wu. Noch konnte sie sich dafür aber nicht qualifizieren. «Nach der WM weiss ich jetzt aber ganz genau, woran ich arbeiten muss. Und sollte es nicht klappen, sind im Jahr 2028 erneut Sommerspiele — auch die habe ich im Visier.»
Für ihre Ziele arbeitet Anny Wu hart. Ihr Alltag lässt nicht viel Raum für anderes als Sport und Schule. «Ich trainiere fünf bis sechs Mal wöchentlich mehrere Stunden in Magglingen. Daneben besuche ich das Gymnasium in Biel, wo ich kommenden Sommer die Matura absolvieren werde. Unter der Woche teile ich meinen Alltag mit anderen Athletinnen in einem Athletenhaus in Magglingen.» Die räumliche Trennung von der Familie sei anfangs schon schwierig gewesen. Zu Beginn noch bei einer Gastfamilie einquartiert, habe sie sich als sehr selbstständiger Mensch aber rasch daran gewöhnt. Freundschaften pflegt Anny Wu innerhalb der Turnerfamilie. Viel Freizeit bleibt jedoch nicht. Das Training und Lernen für die Schule lassen kaum freie Stunden übrig. «Wenn ich dann doch einmal Zeit habe, gehe ich gerne mit Freunden einen Kaffee trinken. Ausserdem koche und zeichne ich gerne.» An den Wochenenden ist sie von Samstagmittag bis Sonntagabend in Röschenz, wo Anny Wu mit ihrer Familie vor einigen Monaten hingezogen ist — nicht zuletzt auch aufgrund der kürzeren Distanz nach Biel. Zuvor lebte die Familie Wu im Kanton Aargau. «In Röschenz tanke ich auf und regeneriere. Ich geniesse die Ruhe und die Zeit mit meinen Eltern und meiner jüngeren Schwester, die übrigens nichts mit Turnen am Hut hat.» Wenn Zeit bleibe, stehe sie im Winter neuerdings auch auf dem Snowboard. «Danach habe ich jeweils Muskelkater», lacht sie. «Ich brauche fürs Snowboarden nicht die gleichen Muskeln wie fürs Turnen.»
Anny Wus Faszination fürs Turnen ist ungebrochen: Man müsse so vieles gleichzeitig können. Die Bewegungen müssen geübt werden, bis sie fast von allein passieren. «Schön finde ich auch, dass das artistische Element immer wichtiger wird.» Auf die Schattenseiten des Turnsports, wie beispielsweise den grossen Druck auf junge Athletinnen und Athleten angesprochen, sagt Wu, dass sich zurzeit vieles im Wandel befinde. «Man hat aus der Vergangenheit gelernt und ist gewillt, Dinge zu verändern, was ich sehr begrüsse.»
Wer Anny Wu in Aktion erleben möchte, hat am 5. November die Gelegenheit dazu. Sie nimmt am Swiss Cup Zürich 2023 im Hallenstadion teil.